Dr. med. Dirk Manski

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Embryologie des Urogenitaltraktes: Entwicklung der Nieren


Zusammenfassende Literatur Anatomie Nieren: (Benninghoff, 1993).

Embryologie von Vorniere (Pronephros) und Urniere (Mesonephros)

Das Urogenitalsystem entwickelt sich aus dem intermediären Mesoderm (Somitenstiel), welches das segmentierte Somitenmaterial mit den unsegmentierten Seitenplatten verbindet. Die einzelnen Abschnitte des intermediären Mesoderms bilden perlschnurartig den nephrogenen Strang. Lateral davon entsteht der Ductus mesonephricus (Wolff-Gang).

Aus den kranialen Abschnitten des nephrogenen Strangs (ungefähr Somit 1–10, Halssegmente) entwickelt sich die Vorniere, Pronephros. Diese ist nur rudimentär angelegt, ab der 5. Embryonalwoche ist sie nicht mehr nachweisbar.

Aus den folgenden Somiten (ungefähr 10–20, thorakale und lumbale Segmente) entwickelt sich die Urniere, Mesonephros. Pro Segment entstehen 2–3 Urnierennephrone mit Malpighischen Körperchen, Glomeruli, Bowmannscher Kapsel und S-förmigen Tubuli. Diese insgesamt bis zu 42 Paare Urnierennephrone produzieren Harn, der über den Wolff-Gang abgeleitet wird (6. bis 9. Woche). Ab der 7. Woche beginnt der Abbau des Urnierensystems. Im Fall der männlichen Entwicklung bleiben die kranialen Urnierenkanälchen und der Wolff-Gang erhalten. Im Fall der weiblichen Entwicklung entwickelt sich die Urniere bis auf wenige Rudimente zurück.

Aus den verbleibenden kaudalen Somiten (sakrale Segmente) entwickelt sich die definitive Niere oder Nachniere, Metanephros [Abb. 2.1].


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Schematische Darstellung der undifferenzierten Genitalanlage eines Embryos in der 8. Woche. Der Müller-Gang ist blau eingefärbt, der Wolff-Gang und die Urniere rot. Abb. aus Gray’s Anatomy, Lea and Febinger 1918, Philadelphia, USA.

Embryologie der Nachniere (Metanephros)

Die definitive Niere (Metanephros) entsteht zeitlich und räumlich unabhängig von den Vorläufern ohne segmentale Gliederung aus den kaudalen Somiten (sakrale Segmente). In der 6. Woche wächst aus dem Wolff-Gang kurz vor seiner Mündung in die Kloake die Ureterknospe, welche Ursprung der ableitenden Harnwege (Ureter, Nierenbeckenkelchsystem und Sammelrohre) ist. Diese nimmt Verbindung mit dem kaudalen Teil des nephrogenen Stranges auf, dem metanephrogenen Blastem. Ureterknospe und metanephrogenes Blastem bilden unter gegenseitiger Beeinflussung die Nachniere.

Das kraniale Ende der Ureterknospe, die Ampulle, verzweigt sich dichotom und regt das metanephrogene Blastem zur Proliferation an. Mit dem ersten Wachstumsschub (3–5 Teilungen) entsteht das Nierenbecken und das Kelchsystem (10–25 Calices minores und Nierenpapillen). Beinhaltet die erste Teilung die Ureterknospe, so entsteht ein doppelter Ureter und ein doppeltes Nierenbecken. Der zweite Wachstumsschub beinhaltet 3–5 Teilungen, dies resultiert in 10–25 Sammelrohrmündungen (Ductus papillaris) pro Papille. Im dritten Wachstumsschub teilen sich die Ductus papillares in 5–7 Generationen, diese Phase dauert bis zur 15. Woche an.

Jeder Zweig des Sammelrohrsystems endet mit einer terminalen Ampulle, dort wird die Bildung einer Nephronanlage induziert. Der fehlende Anschluss einer Nephronanlage an die Ampulle führt zu einer Zyste.

Die terminale Ampulle teilt sich und induziert immer wieder die Bildung weiterer Nephrone (1. Periode bis zur 14. Woche mit 8 Generationen, 2. Periode bis zur 22. Woche mit 8–12 Generationen, Ende der Nephronbildung in der 32. bis 36. Woche). Insgesamt entsteht so vor der Geburt die endgültige Anzahl der Nephrone mit etwa 1 000 000 Nierenkörperchen pro Niere. Die Schwankungsbreite ist jedoch sehr groß, die Anzahl der Nephrone korreliert mit dem Geburtsgewicht. Eine niedrige Anzahl an Nephronen birgt ein erhöhtes Risiko für Nierenerkrankungen und Hypertension.

In der frühen Entwicklung (5. bis 8. Woche) entsteht durch das Wachstum und die Umformung der lumbosakralen Region die Aszension der Nieren. Dabei rotiert die Niere um ihre Längsachse, sodass das Hilum von ventral nach medial verlagert wird. Die Gefäßversorgung wechselt von Ästen der Iliakalgefäße zur Versorgung durch die Lumbalarterien, wobei meist die Arterie in Höhe des 2. LWK die Nierenarterie bildet.






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Literatur

Benninghoff 1993 BENNINGHOFF, A.: Makroskopische Anatomie, Embryologie und Histologie des Menschen.
15. Auflage.
Mnchen; Wien; Baltimore : Urban und Schwarzenberg, 1993