Dr. med. Dirk Manski

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Harnwegsinfektion: Prävention und Therapie durch Antibiotika


Management der asymptomatischen Bakteriurie

Die Prävalenz der asymptomatischen Bakteriurie ist hoch, sie liegt bei gesunden prämenopausalen Frauen (5%), bei alten gesunden Patienten (4–19%) und Patienten mit Risikofaktoren (Alter, Diabetes, neurologische Störungen) bis zu 90%. Nur ein geringer Anteil dieser Patienten wird in den nächsten Wochen bis Monaten eine symptomatische Harnwegsinfektion erleiden. Teilweise zeigte sich in den Studien eine Erhöhung der Harnwegsinfektionsrate durch eine Therapie der Bakteriurie, dies spricht für eine Schutzwirkung der asymptomatischen Kolonisierung (Cai u.a., 2012). Für folgende Risikogruppen ist bei dem Fehlen von Beschwerden (Dysurie, Fieber, Schmerzen) das Screening (Veranlassung einer Urinkultur ohne Beschwerden) oder eine prophylaktische Antibiotikatherapie nicht indiziert (EAU Leitlinie):

Für zwei Risikogruppen konnten Studien einen Vorteil der prophylaktischen antibiotischen Therapie einer asymptomatischen Bakteriurie nachweisen:

Nicht-pharmakologische Prävention von Harnwegsinfektionen

Ernährung und Trinken

Trinken:

Eine Erhöhung der Trinkmenge und damit der Diurese auf etwa 1,5–2 l ist protektiv. Ein exzessives Trinken wird nicht empfohlen, da es antibakterielle Substanzen im Urin verdünnt.

Ernährung:

Vermeidung von Übergewicht, die Adipositas erhöht das Risiko für HWI um den Faktor 2,5–5. Protektiv sind der Verzehr von Fruchtsäften aus Beeren und Milchprodukte mit probiotischen Bakterien.

Moosbeeren (engl. Cranberries):

Der regelmäßige Verzehr von Moosbeerensaft (zweimal täglich) reduziert die Häufigkeit von Harnwegsinfektionen (RR 0,6). Als Mechanismus wird eine Interaktion mit der Adhärenz der Bakterien am Urothel diskutiert, das Ausmaß der Wirksamkeit ist umstritten.

Hygiene

Die Vitalität der Laktobazillen in der Vagina kann durch Hygienemaßnahmen beeinträchtigt werden. Übertriebene Genitalhygiene, Intimsprays und Bidetspülungen sollten vermieden werden. Für die Menstruationshygiene werden eher Binden als Tampons empfohlen.

Sexualität und Harnwegsinfektionen

Die Häufigkeit von Harnwegsinfektionen korreliert mit der Häufigkeit der Sexualkontakte. Harnwegsinfektionen können durch Miktion nach dem Geschlechtsverkehr, Vermeidung von Analverkehr und Verzicht auf Diaphragma oder Spermaziden reduziert werden. Bei häufigen Harnwegsinfektionen nach Geschlechtsverkehr ist die Einmalgabe eines Antibiotikums direkt nach dem Geschlechtsverkehr eine Therapieoption.

Pharmakologische Ansätze zur Prophylaxe

Impfungen gegen Harnwegsinfektionen:

Eine orale Impfung mit inaktivierten aber immunogenen E. coli-Stämmen (z.B. Uro-Vaxom) zeigt eine protektive Wirkung, Reduktion der Rezidivrate über 6–12 Monate um 22–65%. Die Dosierung: eine Kapsel p.o. über 3 Monate (Bauer u.a., 2002).

Eine intramuskuläre Impfung erwies sich in kontrollierten Studien als wirksam mit einer Reduktion von HWI-Rezidiven und Durchbruchsinfektionen um 26–93% im Vergleich zu Plazebo (Vahlensieck u.a., 2014). Dosierung von z.B. Strovac oder Perison: drei i.m. Injektionen zur Grundimmunisierung alle zwei Wochen, eine Auffrischung nach ca. einem Jahr.

D-Mannose:

2 g D-Mannose täglich reduziert (RR 0,24) die Frequenz von Harnwegsinfektionen (Kranjec u.a., 2014). Die Ausscheidung der D-Mannose im Urin besetzt die Fimbrien der coliformen Bakterien und reduziert deren Adhärenz am Urothel.

Vaginale Östrogenisierung:

Bei postmenopausalen Frauen mit rezidivierenden Harnwegsinfektionen führt die Östrogenersatztherapie zu einer Reduktion von Harnwegsinfektionen. Dabei ist die vaginale Anwendung als Kapsel, Salbe oder Ring mit Östrogenfreisetzung erfolgreicher und nebenwirkungsärmer als die orale Hormonersatztherapie.

Niedrig dosierte Antibiotikaprophylaxe:

Die Antibiotikaprophylaxe gilt als wirksame Methode zur Vermeidung von rezidivierenden Harnwegsinfektionen bei Patienten mit hohem Leidensdruck oder Komplikationen. Die Einnahme wird einmal täglich abends empfohlen, alternativ wird ist eine einmalige Einnahme nach dem Geschlechtsverkehr möglich. Mögliche Antibiotika und Dosierungen: Nitrofurantoin 50–100 mg, Trimethoprim 50–100 mg oder Cotrimoxazol 240–480 mg. Problematisch sind die Nebenwirkungen, die zunehmenden Resistenzen und die häufig unveränderte Rezidivrate nach Beendigung der antibiotischen Langzeitprophylaxe (Kranz u.a., 2017). Vorsicht: aufgrund gefährlicher Nebenwirkungen sind Fluorchinolone wie Ofloxacin 100 mg, Ciprofloxacin 125 mg oder Norfloxacin 200 mg für die Antibiotikaprophylaxe nicht mehr zugelassen (EAU Leitlinie Infektionen) (Drug Safety Mail 2019-40).

Infektprophylaxe bei Dauerkatheterisierung

Asepsis:

Eine sorgfältige aseptische Technik bei der Katheterisierung hat einen kurzfristigen Effekt auf die Vermeidung von Harnwegsinfektionen. Trotz aller Sorgfalt ist die Harnblase wenige Tage nach einer Dauerkatheterisierung bakteriell besiedelt. Standard sind die Verwendung geschlossener Drainagebeuteln, ein stets freier Urinfluss, die Positionierung des Beutels immer unterhalb des Harnblasenniveaus und aseptisches Arbeiten bei Manipulationen am geschlossenen System.

Suprapubischer Dauerkatheter:

Transurethrale Dauerkatheter haben wahrscheinlich eine etwas höhere Rate an perioperativen Harnwegsinfektionen als suprapubische Dauerkatheter. Bei längerer Verweildauer sind keine Unterschiede nachweisbar. Entscheidender Vorteil des suprapubischen DK ist die Schonung der männlichen Harnröhre und die Vermeidung von Harnröhrenstrikturen.

Intermittierende Katheterisierung:

Die intermittierende Katheterisierung ist Mittel der Wahl bei Harnblasenentleerungsstörungen als Alternative zur Dauerkatheterisierung. Die aktuellen Leitlinien der EAU und DGU empfehlen die Technik der aseptischen intermittierenden Katheterisierung.

Harnansäuerung und Methenaminsalze:

Die Harnansäuerung mit L-Methionin (Ziel-pH 5,7–6,2) und Methenaminsalze (Methenaminhippurat oder -mandelamin) werden eingesetzt, um die Rate an Harnwegsinfektionen bei Dauerkatheterisierung zu senken. Methenaminsalze sind für die Daueranwendung nicht geeignet (Lee u.a., 2012) (Hooton u.a., 2010), das Medikament ist in Deutschland nicht mehr erhältlich.

Katheterwechsel:

Bei ungenügendem Harnabfluss oder bei Beginn einer Antibiotikatherapie aufgrund einer Harnwegsinfektion sollte der Katheter gewechselt werden. Die Wechselintervalle bei beschwerdefreien Patienten werden individuell angepasst (alle 1--3 Monate).

Erfolglose Therapieansätze:

Antiseptische Spülungen der Harnblase, antiseptische Behandlung des Meatus, vorkonnektierte Drainagebeutel am Dauerkatheter oder regelmäßiger Wechsel des Drainagebeutels (z. B. alle 3 Tage) senken nicht die Rate an Harnwegsinfektionen.

Beschichtete Dauerkatheter:

Die Studienlage von antiseptisch beschichteten Dauerkathetern ist widersprüchlich. Teilweise konnte eine Reduktion der Harnwegsinfektionen nachgewiesen werden. In der klinischen Praxis hat sich noch kein Fabrikat durchgesetzt.

Antibiokatherapie bei Harnwegsinfektionen

Kalkulierte Initialtherapie:

Eine Antibiose berücksichtigt möglichst vorhandene Antibiogramme, bei akuten Infektionen wird bei fehlendem Antibiogramm eine kalkulierte Initialtherapie begonnen (nach Gewinnung von geeignetem Probenmaterial). Zur organspezifischen Diagnostik und kalkulierten Antibiotikatherapie siehe einzelne Kapitel der Organinfektionen:

Therapiedauer:

Die Therapiedauer mit Antibiotika beträgt bei Hohlrauminfektionen um die drei Tage. Beim Mann kann nur die Urethritis als reine Hohlrauminfektion angesehen werden, bei der Frau die unkomplizierte akute Zystitis. Die Therapiedauer beträgt bei Parenchyminfektionen oder komplizierten Harnwegsinfektionen 7–14 Tage. Bei rezidivierenden HWI müssen die Auslöser gefunden und behandelt werden (vesikoureteraler Reflux, Harnsteine, Obstruktion, Restharn...). Bei fehlenden Auslösern kann eine Langzeitantibiose (s. o.) sinnvoll sein.






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Literatur Harnwegsinfektion

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  English Version: Treatment of urinary tract infection