Dr. med. Dirk Manski

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Belastungsinkontinenz der Frau: Therapie mit Medikamenten und OP


Konservative Therapie der Belastungsinkontinenz:

Gewichtsabnahme, regelmäßige Miktion, Beckenbodengymnastik (Kontraktionsübungen nach Kegel, ggf. mit Feminakonen) und vaginale Östrogenbehandlung.

Vaginale Östrogenbehandlung:

Basistherapie für jede postmenopausale Frau mit Stressinkontinenz. Dosierung: 0,03–0,5 mg intravaginal Estriol einmal pro Woche.

Medikamentöse Therapie der Belastungsinkontinenz:

Bei der reinen Belastungsinkontinenz ist die medikamentöse Therapie noch nicht gut etabliert, erste erfolgversprechende Substanz ist Duloxetin. Bei der gemischten Belastungsinkontinenz mit begleitender sensorischer oder motorischer Detrusorautonomie steht die Gabe von Anticholinergika im Vordergrund.

Duloxetin:

Serotonin- und Noradrenalin-Reuptake-Hemmer auf spinaler Ebene, verstärkt damit die Stärke der Sphinkterkontraktion. Mit Duloxetin kann eine Verminderung der Inkontinenzepisoden um 50–60 % erreicht werden vs. 20–40 % in der Placebogruppe (Mariappan u.a., 2007). Dosierung und Nebenwirkungen siehe Kapitel Medikamente/Duloxetin. Aufgrund von Sicherheitsbedenken hat Duloxetin keine Zulassung in den USA erhalten.

Elektromagnetische Stimulation des Beckenbodens:

Durch einen Elektromagnetstuhl werden perineale Nerven stimuliert, dies führt zu einer Beckenbodenkontraktion. Die Therapie wird bei der Belastungsinkontinenz, überaktiven Harnblase und bei der Mischinkontinenz eingesetzt. In randomisierten Studien zeigt die elektromagnetische Stimulation des Beckenbodens eine geringe und wahrscheinlich nur temporäre Wirkung (Gilling u.a., 2009) (Quek, 2005).

Periurethrale Injektionen:

Kollagen, Teflon, Silikon, Polydimethylsiloxan oder autologes Fett werden verwendet. Im Langzeitverlauf sind jedoch schlechte Heilungsraten zu erwarten (30–40 %). Wenn die periurethrale Injektion kurzfristig erfolgreich ist, dann ist die Prognose für eine definitive chirurgische Versorgung gut.

Operative Therapie der Belastungsinkontinenz

Suprapubische Operationsverfahren bei Belastungsinkontinenz:

die Kolposuspension nach Burch hat im Langzeitverlauf einen Erfolg von 70 % und war früher der Goldstandard der Therapie. Alle anderen Therapieverfahren müssen sich mit ihren Langzeitheilungsraten daran messen. Es ist jedoch ein deutlicher Rückgang der Operationsfrequenz zugunsten von vaginalen Verfahren zu beobachten.

Kolposuspension nach Burch:

Das paravaginale Gewebe wird an das Lig. ileopectineum mit Matratzennähten fixiert. Die Burch Kolposuspension kann auch laparoskopisch mit weniger Nebenwirkungen durchgeführt werden, die Erfolgsrate ist jedoch etwas geringer (Dean u.a., 2006).

Abdominale Sakrokolpopexie:

Offene oder laparoskopische Operation zur Korrektur des Deszensus des Uterus oder des Scheidenstumpfes (nach Hysterektomie): das Y-förmige Netz reicht bis in das vordere und hintere Kompartiment zur Korrektur von entsprechenden Defekten, die Sicherheit dieser Netze ist jedoch umstritten (siehe unten).

Vaginale Operationsverfahren bei Belastungsinkontinenz:

Vaginale Operationsverfahren mit alloplastischen Vaginalbänder werden am häufigsten zur Therapie der Belastungsinkontinenz eingesetzt. Die Sicherheit dieser Netze ist jedoch umstritten (siehe unten).

Alloplastische vordere Vaginalbänder:

Das Operationsprinzip entspricht der Faszienzügelplastik. Alle Operationsschritte werden von vaginal durchgeführt. Über einen kleinen Einschnitt an der Vaginalvorderseite wird die Harnröhre präpariert. Ein 1 cm breites Band wird um die Harnröhre gelegt und suprapubisch oder transobturatorisch ausgeleitet. Verwachsungen des Bandes führen zur Stabilität, die Drucktransmission auf die Harnröhre bei Erhöhung des abdominellen Drucks wird wieder hergestellt. Operationstechniken und Komplikationen siehe Kapitel Operationstechniken/Vordere alloplastische Vaginalbänder.

Suprapubisch ausgeleitete alloplastische vordere Vaginalbänder: Erstbeschreibung als TVT (tension free vaginal tape) [Ulmsten 1998]. Das TVT zeigte in randomisierten Studien vergleichbare 5-Jahres-Ergebnisse wie die Kolposuspension nach Burch (Ward u.a., 2006). Inzwischen sind mehrere Anbieter am Markt vertreten, es bestehen Unterschiede hinsichtlich Schlingenmaterial und Operationstechnik [Abb. SPARC von AMS].


Alloplastisches vorderes Vaginalband, suprapubisch ausgeleitet. Mit freundlicher Genehmigung, American Medical Systems, Minnetonka, USA.
Alloplastisches vorderes Vaginalband

Transobturatorisch ausgeleitete alloplastische Vaginalbänder sind unter der Abkürzung TOT (Transobturator Tape) bekannt. Wie bei suprapubisch ausgeleiteten Bändern sind mehrere Anbieter am Markt vertreten, es bestehen Unterschiede hinsichtlich Schlingenmaterial und Operationstechnik [Abb. transobt. ausgeleitetes Vaginalband]. Randomisierte Studien zeigten für TOT vs. TVT initial vergleichbare Ergebnisse, im Langzeitverlauf war die retropubische Schlinge im Vorteil hinsichtlich Heilung und Drangbeschwerden (Alexandridis u.a., 2023).


Alloplastisches vorderes Vaginalband, transobturatorisch ausgeleitet. Dargestellt ist der Durchzug des alloplastischen Bands auf der linken Seite, gleichsinniges Vorgehen auf der Gegenseite. Mit freundlicher Genehmigung, American Medical Systems, Minnetonka, USA.
Alloplastisches vorderes Vaginalband, transobturatorisch ausgeleitet

Minimalinvasive Alternativen sind kurze Bänder, welche mit einer ausschließlichen vaginalen Inzision im paraurethralen Gewebe und in der Beckenbodenmuskulatur verankert werden. Kontrollierte Studien mit bis zur drei Jahren Nachbeobachtung zeigten eine vergleichbare Efffektivität, jedoch im Trend eine höhere Rate an Banderosionen und Revisionsoperationen (Mostafa u.a., 2014) (Abdel-Fattah u.a., 2022).

Pubovaginale Faszienzügelplastik:

Die pubovaginale Faszienzügelplastik wurde nach Entwicklung der alloplastischen Vaginalbänder nur noch selten durchgeführt, die OP-Technik mit erfährt jedoch aufgrund der Gefahren für die Implantation von Fremdmaterial eine gewisse Renaissance. Pfannenstielinzision und Gewinnung von autologen Faszienmaterial aus der Rektusscheide (1,5×10 cm). Über eine vaginale Inzision wird (wie bei der TVT, siehe oben) die Harnröhre freigelegt. Das Faszientransplantat wird an beiden Enden mit einem kräftigen Faden gefasst und beidseits mit Hilfe einer Stamey Nadel von vaginal nach suprapubisch geführt. Das Transplantat wird wie ein TVT-Band positioniert. Die Bandfixierung gelingt durch das suprapubische Knoten der beiden Fadenenden oberhalb der Rektusscheide. Im Vergleich zu alloplastischen Bändern hat die autologe Faszienzügelplastik etwas schlechtere Heilungsraten bezüglich der Harninkontinenz, es drohen jedoch keine Komplikationen durch nicht resorbierbares Fremdmaterial.

Vaginale Operationen der Beckeninsuffizienz:

Oben genannte Inkontinenzoperationen können mit Korrekturoperationen bei Beckenbodeninsuffizienz kombiniert werden, siehe Abschnitt Beckenbodeninsuffizienz.

Gefahren durch die Implantation von Fremdmaterial im Bereich des Beckenbodens:

Komplikationen wie chronische Schmerzen, Dyspareunie bis zu 10%, Banderosionen (bis zu 12%), Infektionen und die Schwierigkeit der Netzentfernung haben zu Warnungen mehrerer nationaler Aufsichtsbehörden und zur Marktrücknahme einiger Produkte geführt. In einigen Ländern ist aufgrund von Komplikationen der Einsatz von Fremdmaterial zur Therapie der Harninkontinenz und des Genitalprolapses verboten worden.

Die aktuelle AWMF-Leitlinie zur Behandlung der Beckenbodeninsuffizienz, die SCENIHR-Empfehlungen der EU sowie die Leitlinien der EAU erlauben den Einsatz alloplastischer Netzmaterialien im Beckenbodenbereich in bestimmten Risikokonstellationen, eine überdurchschnittliche sorgfältige Aufklärung der Patientinnen über Risiken und Alternativen sind jedoch obligat.






 Sachregistersuche: A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z


Literatur Belastungsinkontinenz

V. Alexandridis, A. Lundmark Drca, M. Ek, and W. S. derberg, “Retropubic slings are more efficient than transobturator at 10-year follow-up: a Swedish register-based study.,” Int Urogynecol J., vol. 34, no. 6, pp. 1307–1315, 2023.

A. Mostafa, C. P. Lim, L. Hopper, P. Madhuvrata, and M. Abdel-Fattah, “Single-incision mini-slings versus standard mid-urethral slings in surgical management of female stress urinary incontinence: an updated systematic review and meta-analysis of effectiveness and complications.,” Eur Urol, vol. 65, no. 2, pp. 402–427, 2014.

Dean, N. M.; Ellis, G.; Wilson, P. D. & Herbison, G. P. Laparoscopic colposuspension for urinary incontinence in women.
Cochrane Database Syst Rev, 2006, 3, CD002239



Gilling, P. J.; Wilson, L. C.; Westenberg, A. M.; McAllister, W. J.; Kennett, K. M.; Frampton, C. M.; Bell, D. F.; Wrigley, P. M. & Fraundorfer, M. R. A double-blind randomized controlled trial of electromagnetic stimulation of the pelvic floor vs sham therapy in the treatment of women with stress urinary incontinence.
BJU Int, 2009, 103, 1386-1390



Latthe, P. M.; Singh, P.; Foon, R. & Toozs-Hobson, P. Two routes of transobturator tape procedures in stress urinary incontinence: a meta-analysis with direct and indirect comparison of randomized trials.
BJU Int, 2010, 106, 68-76



Liedl u.a. 2005 LIEDL, B. ; SCHORSCH, I. ; STIEF, C.: [The development of concepts of female (in)continence. Pathophysiology, diagnostics and surgical therapy].
In: Urologe A
44 (2005), Nr. 7, S. W803–18; quiz W819–20

Mariappan, P.; Alhasso, A.; Ballantyne, Z.; Grant, A. & N'Dow, J. Duloxetine, a serotonin and noradrenaline reuptake inhibitor (SNRI) for the treatment of stress urinary incontinence: a systematic review.
Eur Urol, 2007, 51, 67-74.

Quek, P. A critical review on magnetic stimulation: what is its role in the management of pelvic floor disorders?
Curr Opin Urol, 2005, 15, 231-235

Ward, K. L.; Hilton, P.; K., U. & Group, I. T. T. Tension-free vaginal tape versus colposuspension for primary urodynamic stress incontinence: 5-year follow up.
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Viktrup u.a. 2004 VIKTRUP, L. ; SUMMERS, K. H. ; DENNETT, S. L.: Clinical practice guidelines for the initial management of urinary incontinence in women: a European-focused review.
In: BJU Int
94 Suppl 1 (2004), S. 14–22