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Chronisches Beckenschmerzsyndrom: Definition und Ursachen
- Chronisches Beckenschmerzsyndrom: Definition und Ursachen
- Chronische Prostatitis: Klinik und Diagnose
- Chronische Prostatitis: Therapie
Definition des Beckenschmerzsyndroms
Das chronische Beckenschmerzsyndrom (chronic pelvic pain syndrome, CPPS) ist charakterisiert durch
- chronische oder wiederkehrende Schmerzen seit mindestens sechs Monaten, welche in Strukturen des Beckens wahrgenommen werden
- das CPPS betrifft Frauen wie Männer
- ohne Nachweis einer Erkrankung der Beckenorgane (Ausschlussdiagnose)
- Das CPPS geht mit Symptomen des unteren Harntrakts und des Enddarms einher und hat häufig negative Konsequenzen hinsichtlich der Sexualität und des psychischen Wohlbefindens.
- Wenn der Schmerz in einem einzelnen Organ oder Bereich empfunden wird (z.B. Harnblase, Prostata, Hoden, Damm, Vulva oder nach Vasektomie), so sollten konkretere Bezeichnungen verwendet werden: Blasenschmerzsyndrom, Prostataschmerzsyndrom, Hodenschmerzsyndrom, Beckenbodenschmerzsyndrom, Vulvaschmerzsyndrom oder Postvasektomie-Hodenschmerzsyndrom
Veraltete Begriffe:
Wenn Symptome und Zeichen einer bakteriellen Infektion der Prostata fehlen, sollte der Begriff chronische Prostatitis nicht für das CPPS verwendet werden. Die "-itis" im Krankheitsbegriff führt sowohl den Patienten wie auch den Therapeuten auf die falsche Fährte. Zur Definition der chronischen Prostatitis siehe Abschnitt Definition der Prostatitis und Beckenschmerzsyndrom nach NIH. Weiter abgeraten wird von Begriffen Prostatodynie oder Vulvodynie. EAU Leitlinien: (Engeler u.a., 2020).
Epidemiologie der chronischen Prostatitis und des Beckenschmerzsyndroms
Wiederkehrende Schmerzen im Bereich der Prostata, aber auch Hoden oder Penis, sind häufig und im Alter unter 50 Jahren die häufigste urologische Diagnose. 5% der Männer im Alter vom 20–50 Lebensjahre, Altersgipfel zwischen dem 20–49 LJ und über dem 70. LJ.
Ätiologie des CPPS
Die Ätiologie des CPPS ist heterogen, wie es auch die Definitionen implizieren. Wahrscheinlich ist eine multifaktorielle Schmerzgenese mit auslösenden wie auch krankheitsunterhaltenden Faktoren.
Schmerzart:
Typisch für das CPPS ist ein viszeraler Schmerz: plötzlich und heftig auftretend, diffus und schwer zu lokalisieren, vegetative Begleitreaktionen, Schmerzausstrahlung in Haut und Muskelregionen und Hyperalgesie.
Krankheitsauslösende Faktoren:
Krankheitsauslösende Faktoren sind häufig (wiederkehrende) Infektionen, Verletzungen oder Funktionsstörungen, welche immer wieder einen Schmerzreiz verursachen. Bei einem kleinen Anteil der Patienten kann sich dieser Schmerz durch neuromodulatorische Vorgänge verselbstständigen und von der auslösenden Ursache unabhängig werden.
Neuroplastizität des ZNS:
Im weiteren Verlauf führen wiederkehrende Reize zu einer zentralen Sensitivierung: erhöhte Empfindlichkeit der Schmerzrezeptoren, Schmerzbahnen und ZNS-Areale. Dies senkt die Reizschwelle für eine Schmerzwahrnehmung (Allodynie) und verursacht auch das Wahrnehmen von Schmerzen in anderen Arealen, was die Diagnose und Therapie erschwert.
Muskuläre Hyperalgesie:
Die niedrige Reizschwelle für eine Schmerzwahrnehmung führt zu Ansatztendinopathien des Beckenbodens, Myogelosen oder myofasziale Triggerpunkte. Die Aktivierung des Beckenbodens führt zur Schmerzen bei Miktion oder Sexualität, es entsteht ein Vermeidungsverhalten und negatives Erleben.
Viszerale Hyperalgesie:
Viszerale Hyperalgesie ist die vermehrte Wahrnehmung von viszeralen Afferenzen (Speicherung, Entleerung, Organschmerzen) durch zentrale Sensitivierung. Viszerale Hyperalgesie ist nicht nur bei chronischen Schmerzen durch o.g. neuroplastische Vorgänge im ZNS vorhanden. Schon nach einer akuten Zystitis kann über diesen Mechanismus eine mehrwöchige Reizblase entstehen.
Psychosomatische Störung:
Angsterkrankungen, Depressionen und Persönlichkeitsstörungen sind bei Patienten mit CPPS häufiger als in Kontrollen erhebbar. Dafür gibt es mehrere Erklärungen: zum einen können psychische Erkrankungen die Schmerzwahrnehmung negativ beeinflussen, zum anderen führen chronische Schmerzen zu psychischen Krankheiten:
Belastende Erlebnisse in der Vergangenheit (wie Tod, Trennung oder Missbrauch) erhöhen die Stressbereitschaft der Körpers. Dies erhöht die Muskelspannung, führt zur Erschöpfung und macht empfänglicher für Schmerzreize. Die dadurch entstehenden Sorgen und Unruhe führen zu einer weiteren Stressbelastung und zu einem Teufelskreislauf.
Chronische Schmerzen führen zu einer Erschöpfbarkeit und Einschränkungen im täglichen Leben, es droht der soziale und berufliche Rückzug, im Verlauf droht die reaktive Depression.
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Literatur
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English Version: Chronic prostatitis and CPPS