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Endometriose mit Befall von Harnleiter oder Harnblase
Definition
Die Endometriose ist das Vorkommen von endometriumartigen Zellverbänden außerhalb des Cavum uteri (Sillem und Teichmann, 2003).
Epidemiologie
- Die geschätzte Inzidenz beträgt in Deutschland jährlich etwa 40 000 Neuerkrankungen, dies entspricht einer Prävalenz von 10–20 % bei Frauen im gebärfähigem Alter.
- 1–5 % der Frauen mit Endometriose haben eine Beteiligung des Harntrakts.
Ätiologie und Pathogenese der Endometriose
Trotz zahlreicher Theorien bleibt die Ätiologie und Pathogenese der Endometriose unklar, da keine Theorie alle Aspekte der Endometriose erklären kann.
Transplantationstheorie:
Die retrograde Menstruation führt bei entsprechender Prädisposition zu Implantation von Endometrioseherden. Die Verbreitung der Endometriumzellen kann jedoch auch lymphogen oder hämatogen geschehen.
Metaplasietheorie:
Undifferenzierte Stammzellen des Zölomepithels können unter Östrogeneinfluss zu endometrialem Gewebe differenzieren. Dies erklärt auch das seltene Vorkommen der Endometriose bei Männern mit Prostatakarzinom unter Östrogentherapie.
Tissue injury and repair-Theorie:
Patientinnen mit Endometriose besitzen häufig eine Hyperperistaltik der Uterusmuskulatur. Dies führt zur Mikroverletzungen der Muskulatur mit Ausbildung einer Endometriosis genitalis interna und zur verstärkten retrograden Menstruation mit Endometriosis genitalis externa.
Pathologie
Makroskopie:
Aktive Endometrioseherde sind rote oder farblose bläschenartige Läsionen; braune oder schwarze Herde entsprechen inaktiven Läsionen und beherbergen hämosiderinhaltige Makrophagen.
Endometriosis genitalis interna:
Endometriosis genitalis interna oder Adenomyosis uteri sind Endometriumherde im Myometrium.
Endometriosis genitalis externa:
Die Endometriosis genitalis externa sind Endometrioseherde an den Tuben, Ovarien und am peritonealen Überzug der Genitalorgane. Ovarialendometriome sind zystische Endometrioseherde am Ovar (Schokoladenzysten).
Endometriosis extragenitalis:
Der Befall von Darm, Harnblase, Harnleiter oder selten anderer Organe wird auch Endometriosis extragenitalis genannt. Es wird zwischen infiltrierenden Wachstum (engl. intrinsic endometriosis) und nicht infiltrierendem Wachstum (engl. extrinsic endometriosis) unterschieden. Die Endometriose betrifft am Harntrakt zu 84 % die Harnblase, zu 15 % die Harnleiter und sehr selten die Nieren oder die Harnröhre.
Histologie der Endometriose:
Aktive Endometrioseherde beinhalten endometriale Epithel- und Stromazellen, welche im Verlauf durch narbiges Bindegewebe ersetzt werden. Hämosiderinhaltige Makrophagen bleiben häufig als ein Hinweis auf die Endometriose erhalten. Eine maligne Entartung ist extrem selten und betrifft meist Endometrioseherde an den Ovarien.
Klinik
Viele Frauen mit Endometrioseherden, auch am Harntrakt, sind beschwerdefrei.
Allgemeine Symptome der Endometriose:
- Dysmenorrhoe
- Verlängerte und verstärkte Menstruation
- Dyspareunie
- Darmsymptome
- Infertilität
- Unterbauch- und Rückenschmerzen
Symptome der Harntraktmanifestation:
Zusätzliche Zeichen der Manifestation der Endometriose am Harntrakt sind zyklusabhängige Flankenschmerzen, Dysurie, Harnwegsinfektionen, Hämaturie oder Harnstau in der Bildgebung.
Diagnose
Gynäkologische Untersuchung:
Größere Herde können bimanuell palpiert werden. Die Kolposkopie kann Herde in der Vagina und an der Cervix identifizieren.
Transvaginale Sonographie:
Gut darstellbar sind größere Endometrioseherde und Ovarialendometriome als glatt berandete Ovarialzysten mit homogenem Binnenecho.
Sonographie der Nieren:
Ultraschall der Nieren zum Ausschluss eines Harnstaus.
Becken-MRT:
Das MRT ist geeignet, um tiefe Infiltrationen in die Beckenorgane darzustellen. Die Bildgebung kann nur mittlere und große Endometrioseherde darstellen, ein Ausschluss der Erkrankung ist nicht möglich.
Zystoskopie:
Zystoskopie bei Verdacht auf Harnblasenbefall (Dysurie oder Hämaturie), Biopsie von Läsionen.
Ureteroskopie:
URS bei Harnstau, mit Biopsie von Ureterstrikturen.
Rektoskopie:
Rektoskopie bei Defäkationsschmerzen oder rektalen Blutungen.
Laparoskopie:
Die Laparoskopie ist die Methode der Wahl zur Diagnose der Endometriosis genitalis externa: histologische Sicherung und Therapie. Bei Infertilität kann die Laparoskopie mit der Hysteroskopie und Chromopertubation kombiniert werden.
Differentialdiagnose
Aufgrund der hohen Prävalenz von Frauen mit asymptomatischer Endometriose darf nicht jeder Endometrioseherd automatisch als Ursache für die geklagten Beschwerden angesehen werden.
Therapie der Endometriose
Medikamentöse Therapie:
Die medikamentöse Therapie ist indiziert für die schmerzhafte Endometriose, wenn chirurgische Optionen nicht gewünscht werden oder wenn die Kontrazeption durch die Hormontherapie erwünscht ist.
Schmerztherapie:
Symptomatische Gabe von nichtsteroidalen Antiphlogistika, die 1–2 Tage vor Beginn der Menstruation begonnen wird.
Hormontherapie:
Die Hormontherapie nutzt die Hormonabhängigkeit der Endometriumherde, zur Auswahl stehen die kontinuierliche Gabe von Östrogen-Gestagen-Kombinationspräparate, reine Gestagene oder GnRH-Analoga für maximal 6–12 Monate. Die GnRH-Therapie wird von einer niedrig dosierten Östrogen-Gestagen-Kombinationstherapie begleitet, um die Symptome des Hypogonadismus abzumildern. Während der Hormontherapie besteht eine Kontrazeption. Die Rezidivrate nach ausschließlicher hormoneller Therapie ist sehr hoch: 75 % der Frauen mit mittelgradiger oder schwerer Endometriose benötigen innerhalb von fünf Jahren wieder eine Therapie.
Operative Therapie der Endometriose:
Die operative Therapie der Endometriose ist bei symptomatischer Endometriose (Schmerzen, Infertilität) als Alternative zur oder in Kombination mit der medikamentösen Therapie indiziert. Die asymptomatische extragenitale Endometriose mit Harnstau ist ebenfalls interventionspflichtig.
Laparoskopische Therapie:
Laparoskopische Destruktion aller erreichbaren Endometrioseherde mit Laser, Exzision oder Koagulation. Ovarialendometriome werden inklusive Zystenbalg reseziert. Randomisierte Studien bestätigten die Effektivität der laparoskopischen Therapie (vs. diagnostische Laparoskopie).
Harnblasenteilresektion:
Die Harnblasenteilresektion ist bei tief infiltrierender Endometriose der Harnblase mit Beschwerden indiziert und sollte möglichst laparoskopisch mit o.g. Eingriff durchgeführt werden.
Ureterolyse und Harnleiterrekonstruktion:
Bei nicht infiltrierender Endometriose genügt eine Ureterolyse und Resektion der Endometrioseherde. Bei infiltrierender Endometriose oder manifester Ureterstriktur ist eine Resektion der befallenen Harnleiterabschnitte und Rekonstruktion mit einer Harnleiterreimplantation oder End-zu-End-Anastomose notwendig. Vor einer komplexen Ureterrekonstruktion sollten alle Endometrioseherde saniert sein, ggf. in Kombination mit Hysterektomie (s.u.).
Hysterektomie:
Die Hysterektomie (mit Adnexektomie beidseits je nach Alter der Patientin und Manifestation der Endometriose) ist die Maximaltherapie, welche die höchsten Heilungsraten bietet. Alle extragenitalen Endometrioseherde sollten in gleicher Sitzung entfernt werden.
Adjuvante Hormontherapie:
Die Studienlage zur adjuvanten Hormontherapie bei Endometriose ist widersprüchlich. Mehrere, jedoch nicht alle randomisierte Studien fanden einen Vorteil (Schmerzen und Reoperationen) für die adjuvante Hormontherapie nach operativer Intervention, z. B. mit GnRH-Agonisten für sechs Monate (Olive und Pritts, 2001).
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Literatur
Sillem, M. & Teichmann, A. T. Patientenzentrierte Aspekte der EndometrioseDer Gynäkologe, 2003, 36, 41-52.
Olive, D. L. & Pritts, E. A. Treatment of endometriosis.
N Engl J Med, 2001, 345, 266-275.