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Enuresis
- Enuresis: Definition, Ursachen und Diagnose
- Enuresis: Therapie
Definitionen der Enuresis und der kindlichen Harninkontinenz
Enuresis:
Die Enuresis ist definiert als unwillkürliches Einnässen im Schlaf mindestens 1 Mal pro Monat nach dem 5. Lebensjahr über eine Dauer von über drei Monaten. Synonym: Enuresis nocturna, obwohl auch das Einnässen während des Mittagsschlaf zur Krankheitsdefinition gehört (Enuresis S2 Leitlinie), Leitlinie der EAU: EAU Guidelines Paediatric Urology.
Primäre Enuresis:
Enuresis ohne vorherige Phase der Trockenheit über mindestens 6 Monate.
Sekundäre Enuresis:
Enuresis mit vorheriger mindestens sechs Monate langer Phase ohne Einnässen.
Monosymptomatische Enuresis nocturna (MEN):
Enuresis ohne gleichzeitig bestehende Symptome der Harnblasendysfunktion.
Nicht-monosymptomatische Enuresis nocturna (NMEN):
Enuresis mit gleichzeitig bestehenden Symptomen der Harnblasendysfunktion (überaktive Blase, Dranginkontinenz, Miktionsaufschub, Detrusor-Sphinkter-Dyskoordination, Defäkationsbeschwerden oder unteraktive Blase = lazy bladder).
Kindliche Inkontinenz:
Überbegriff und beinhaltet alle Formen der Harninkontinenz aufgrund Fehlbildungen, Infektionen, neurologischen Erkrankungen und Harnblasenfunktionsstörungen. Veraltete Synonyme: Enuresis nocturna und diurna, komplizierte Enuresis, Enuresis diurna (Hjalmas u.a., 2004) (Palmtag, 1999) (Schultz-Lampel und Thüroff, 2000).
Nicht-organische (funktionelle) Harninkontinenz:
Intermittierendes Einnässen am Tage ohne Schlaf, nach Ausschluß von organischen Ursachen.
Kontinuierliche Harninkontinenz:
Fast ausschließlich organisch bedingte Harninkontinenz ohne Phasen der Trockenheit.
Epidemiologie der Enuresis
- 15 % der Kinder über 5 Jahren haben eine Enuresis oder kindliche Harninkontinenz. Die Spontanheilungsrate beträgt jährlich 15 % bis zur Pubertät, die Prävalenz liegt dann unter 2 %. Die Enuresis kann selten bis ins Erwachsenenalter persistieren.
- Jungen : Mädchen = 2:1
- Etwa 25% der Kinder zeigen eine sekundäre Enuresis, die monosymptomatische Enuresis tritt in ca. 2/3 der Fälle auf.
Ursachen der Enuresis
Die Enuresis ist eher ein Symptom als eine umschriebene Krankheit, viele ätiologische Faktoren werden verantwortlich gemacht. Im Einzelfall lassen sich nicht alle Komponenten nachweisen. Die Fähigkeit des Kindes, nächtliche Kontrolle über die Harnblasenfunktion zu erlernen, scheint bei enuretischen Kindern verzögert zu sein. Manche unten beschriebenen Auffälligkeiten sind ein normaler Bestandteil der Entwicklung und können (zeitlich früher) bei kontinenten Kindern nachgewiesen werden.
Unreife des ZNS:
Die Harnblasenfüllung wird nicht erkannt und der Miktionsreflex nicht unterdrückt. In Abhängigkeit von der ZNS-Reife gibt es unterschiedliche Enuresis-Formen, welche nach der jeweiligen Weckreaktion und der Harnblasenstabilität vor dem enuretischen Ereignis unterschieden werden (keine Weckreaktion, instabile Harnblase – geringe Weckreaktion, stabile Harnblase – starke Weckreaktion, stabile Harnblase). Im Verlauf entwickeln enuretische Kinder immer stärkere Weckreaktionen vor dem Einnässen.
Störungen der Vasopressinsekretion:
der zirkadiane Rhythmus der Vasopressinsekretion führt zu einer Halbierung der Urinproduktion in der Nacht. Viele Kinder mit Enuresis haben einen gestörten Rhythmus der Vasopressinsekretion, dies wird als Symptom einer verzögerten ZNS-Reife interpretiert. Die nächtliche Urinproduktion übersteigt die Harnblasenkapazität und führt zum Einnässen.
Die Vasopressinausschüttung wird u.a. durch die Harnblasenfüllung stimuliert, so kann die nächtliche Harnblasenentleerung bei enuretischen Kindern (zum Teil) die niedrige nächtliche Vasopressinkonzentration erklären.
Miktionsfehlverhalten oder dysfunktionelle Miktion:
Ohne anatomische Störungen kann ein Miktionsfehlverhalten zu einem erhöhten Sphinktertonus führen, welcher beim Toilettengang nicht mehr ausreichend relaxiert. Die entstehende funktionelle subvesikale Obstruktion führt im Verlauf zu einer Detrusorhypertrophie, zu Harnblaseninstabilität, Enuresis und Dranginkontinenz.
Familiäre Faktoren der Enuresis:
Die Wahrscheinlichkeit für eine Enuresis beträgt 77 %, wenn beide Eltern enuretisch waren oder 43 %, wenn ein Elternteil enuretisch war. Ohne familiäre Belastung beträgt die Wahrscheinlichkeit 15 %. Das Vererbungsmuster spricht für einen autosomal-dominanten Erbgang mit hoher Penetranz von etwa 90%. Neben dem ENUR-1-Gen auf den Chromsom 13 sind weitere Gene auf den Chromosomen 12 und 22 beschrieben worden (Gontard u.a., 2001).
Psychiatrische Begleiterkrankungen:
Psychiatrische Begleiterkrankungen sind häufiger bei nicht-monosymptomatischer Enuresis als bei MEN. Rückfälle oder Krankheitsauslöser können durch bedeutende Lebensereignissen wie Trennung der Eltern oder Geburt eines Geschwisterkindes ausgelöst werden. Die häufigsten Begleiterkrankungen ist das ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung), Störungen des Sozialverhaltens, Depression und Angststörungen.
Gastroenterologische Begleiterkrankungen:
Obstipation und Stuhlinkontinenz sind häufig mit kindlicher Harninkontinenz oder nicht-monosymptomatischer Enuresis assoziiert. Die nervale Steuerung der Harnblasen- und Enddarmentleerung ist auf mehreren Ebenen miteinander verknüpft. Weiterhin verursachen retrovesikale Stuhlmassen eine Harnblasenkompression mit Begünstigung von Restharn und Detrusorüberaktivität.
Klinik der Enuresis
Bei der Enuresis (nocturna) sollen folgende vier Formen unterschieden werden (Enuresis S2 Leitlinie), siehe Abschnitt Definitionen:
- primär mononsymptomatisch
- primär nicht-monosymptomatisch
- sekundär monosymptomatisch
- sekundär nicht-monosymptomatisch
Diagnose der Enuresis
Basisdiagnostik:
Die Häufigkeit und der Verlauf der unkomplizierten Enuresis gebietet, die initiale Diagnostik auf ein Minimum an Notwendigem zu reduzieren. Die Basisdiagnostik soll erreichen, dass eine organisch bedingte Harninkontinenz ausgeschlossen wird.
Anamnese:
Entscheidend für die Diagnose Enuresis ist das Fehlen von Symptomen, welche auf eine urologische oder neurologische Erkrankung hinweisen. Typischerweise aber nicht obligat besteht eine nächtliche Inkontinenz ohne Symptome am Tag wie Inkontinenz, Pollakisurie, rezidivierende Harnwegsinfektionen oder Harnverlust. Gezielt ist nach Frühgeburtlichkeit, Symptomen der Stuhlentleerung, neurologischen Beschwerden oder psychiatrischen Auffälligkeiten zu fragen.
Miktionstagebuch:
Nach einer Anleitung werden für 2 Tage das Trinken (Uhrzeit, Volumen), die Miktion (Uhrzeit, Volumen) und die Defäkation (Uhrzeit) mit Hilfe eines Miktionstagebuch dokumentiert. Zusätzlich erfasst werden der Zeitpunkt von Drangsymptomen, Harninkontinenz oder Einkoten. Weiterhin wird über einen Zeitraum von zwei Wochen die Häufigkeit von Harninkontinenz (tags/nachts) und die Stuhlfrequenz mit evtl. bestehenden Auffälligkeiten aufgeschrieben (einfache Strichliste).
Urin:
Sediment und Urinkultur zum Ausschluss einer Harnwegsinfektion.
Ultraschall:
Detektion von Miktionsstörungen (Dicke der Harnblasenwand über 5 mm? Restharn?). ADetektion von Stuhlverhalt (Durchmesser Rektum >3 cm? Impression der Harnblase?). Ausschluss von pathologischen Befunden am oberen Harntrakt (Nierengröße? Harnstau? Parenchymnarben?).
Weiterführende Diagnostik:
Kinder mit monosymptomatischer Enuresis benötigen keine weitere Diagnostik. Bei auffälligen Befunden in den vorangegangenen Untersuchungen oder bei frustraner Therapie sind weiterführende Untersuchungen notwendig: Harnstrahlmessung mit Beckenboden-EMG, MCU, Urodynamik, Nierenszintigraphie, Urogramm, Zystoskopie. Andere Fachdisziplinen wie Gastroenterologie, Psychiatrie oder Nephrologie sollten bei genannten Symptomen konsultiert werden.
Differentialdiagnose
Funktionelle nicht-organische Harnblasendysfunktion mit Inkontinenz, Schlafapnoesyndrom durch Obstruktionen der oberen Atemwege (Tonsillenhypertrophie, Adipositas), organisch (anatomisch oder neurogen) bedingte Formen der Harninkontinenz wie Doppelniere mit ektop mündendem Ureter (v.a. Mädchen), vaginaler Influx, Harnröhrenklappen beim Jungen, Epispadie, Blasenekstrophie, Kloakenfehlbildungen, sakrale Fehlbildungen, spinale Anomalien, Spina bifida, Frühgeburtlichkeit, Traumata oder Tumoren.
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Literatur Enuresis
Leitlinie der EAU: Paediatric Urology
von Gontard, A.; Schaumburg, H.; Hollmann, E.; Eiberg,
H. & Rittig, S.
The genetics of enuresis: a review.
J Urol, 2001,
166, 2438-2443.
Hjalmas, K.; Arnold, T.; Bower, W.; Caione, P.;
Chiozza, L. M.; von Gontard, A.; Han, S. W.; Husman, D. A.; Kawauchi, A.;
LAckgren, G.; Lottmann, H.; Mark, S.; Rittig, S.; Robson, L.; Walle, J. V.
& Yeung, C. K.
Nocturnal enuresis: an international evidence based
management strategy.
J Urol, 2004, 171, 2545-2561
Schultz-Lampel und Thüroff 2000 SCHULTZ-LAMPEL, D. ;
THÜROFF, J. W.:
Enuresis und kindliche Harninkontinenz.
In: THÜROFF, JW (Hrsg.) ; SCHULTE-WISSERMANN, H
(Hrsg.): Kinderurologie in Klinik und Praxis.
Stuttgart New York : Thieme, 2000, S. 265–275
English Version: Diagnosis and treatment of enuresis