Dr. med. Dirk Manski

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Extragonadale Keimzelltumoren: Ursachen, Diagnose und Therapie

Definition

Extragonadale Keimzelltumoren (EKZT oder EGCT) gehen von primär außerhalb des Hodens vorkommenden Keimzellen aus, sie befinden sich nahe der Mittellinie im Abdomen, Becken, Mediastinum oder im Bereich der Schädelbasis. In den Hoden finden sich keine Hinweise auf einen Hodentumor.

Epidemiologie der extragonadalen Keimzelltumoren

3–5 % aller Keimzelltumoren. Männer etwas häufiger als Frauen.

Erkrankungsalter und Lokalisation:

Ursachen (Ätiologie) und Pathologie der extragonadalen Keimzelltumoren

Versprengte Keimzellen:

ein extragonadaler Keimzelltumor entsteht aus versprengten Keimzellen, welche eigentlich amöboid aus dem Dottersack in die Hodenanlage einwandern [siehe Kapitel Embryologie des Urogenitaltraktes]. Eine andere Theorie postuliert die Entstehung der Keimzelltumoren aus versprengten pluripotenten Embryonalzellen.

Lokalisation:

in der Mittellinie (in abnehmender Häufigkeit): Mediastinum, Retroperitoneum, sakrokokkzygeal, Schädelbasis.

Wachstumsmuster:

Die Tumoren sind nicht eingekapselt und infiltrieren die Nachbarstrukturen.

Histologie:

es kommen alle histologische Typen des Keimzelltumors vor [siehe Kapitel Keimzelltumoren des Hodens].

Symptome der extragonadalen Keimzelltumoren

Bauch- oder Rückenschmerzen, Gewichtsverlust, Husten, Atemnot, tastbarer Bauchtumor, bei Schädelbasis-Lokalisation Kopfschmerzen, Sehstörungen, Hörstörungen, Hormoninsuffizienzen bei Störungen von Hypophyse und Hypothalamus.

Aufgrund der anatomischen Lage entstehen erst bei großen Tumoren Symptome, oft erst durch Metastasen. Über 50 % werden erst im metastasierten Stadium symptomatisch.

Diagnose

Kern der Diagnostik bilden wie beim Hodentumor die Tumormarker (AFP, HCG und LDH), Sonographie der Hoden zur Suche eines Hodentumors, CT-Abdomen und Thorax (evtl. Kopf),CT-gestützte Tumorbiopsie.

Differentialdiagnose

Wichtig ist die Unterscheidung des primären extragonadalen Keimzelltumors vom retroperitoneal metastasierten Hodentumor mit "ausgebranntem" Primärtumor. Hinweise dafür sind Vernarbungen im Hoden und der Nachweis von GCNIS (germ cell neoplasia in situ).

Prognosegruppen bei metastasiertem Keimzelltumor

Die Prognose von nicht metastasierten Hodentumoren ist sehr gut (Heilungsrate über 95 %). 50 % der Patienten haben bei Diagnosestellung ein metastasiertes Tumorstadium. Reine Seminome sind in 15–35 % metastasiert, Nichtseminome sind in 60–70 % bei Diagnosestellung metastasiert. Die Prognose im metastasierten Tumorstadium wird anhand der Richtlinien der International Germ Cell Cancer Collaborative Group (IGCCCG) eingeteilt. Für die Eingruppierung wird der niedrigste Wert (Nadir) der Tumormarker nach Orchiektomie verwendet:

Gute Prognose:

5JÜR 90–95 %.

90% der Seminome:

Fehlen von nichtpulmonalen viszeralen Metastasen unabhängig von der Höhe der Tumormarker.

56% der Nichtseminome:

Tumormarker S0–S1 und keine nichtpulmonale viszerale Metastasen und primär gonadaler oder retroperitonealer Keimzelltumor.

Mittlere Prognose:

5JÜR 70–80 %.

10% der Seminome:

Vorhandensein von nichtpulmonalen viszeralen Metastasen (Leber, ZNS, Skelett...), unabhängig von der Höhe der Tumormarker.

28% der Nichtseminome:

Tumormarker S2 und keine nichtpulmonale viszerale Metastasen und primär gonadaler oder retroperitonealer Keimzelltumor.

Schlechte Prognose:

5JÜR 50–64 %.

16% der Nichtseminome:

Tumormarker S3 oder Vorhandensein von nichtpulmonalen viszeralen Metastasen (Leber, ZNS, Skelett...) oder primär mediastinaler Keimzelltumor.

Therapie der extragonadalen Keimzelltumoren

Siehe obiger Abschnitt für die Prognosegruppen von Keimzelltumoren.

Retroperitonealer nichtseminomatöser EKZT:

Werden analog wie metastasierte Hodentumoren therapiert: 3–4 Zyklen Chemotherapie in Abhängigkeit der Prognose, Resektion von Residualtumoren (RLA).

Mediastinaler nichtseminomatöser EKZT:

Werden unabhängig von Größe und Tumormarkern als schlechte Prognose nach IGCCCG klassifiziert und analog therapiert: Hochdosis-Chemotherapie, Resektion von Residualtumoren. Die 5JÜR liegt unter 50%.

Mediastinaler seminomatöser EKZT:

3–4 Zyklen PEB in Abhängigkeit der Prognose, eine Resektion von Residualtumoren ist oft nicht notwendig (nur über 3 cm Durchmesser). Die Strahlentherapie ist eine zusätzliche Therapieoption. Die 5JÜR beträgt 70–100%.

Tumoren der Schädelbasis:

Multimodale Therapie: Chemotherapie, Residualtumorresektion, ggf. Strahlentherapie.






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Literatur

Albers, P.; Albrecht, W.; Algaba, F.; Bokemeyer, C.; Cohn-Cedermark, G.; Fizazi, K.; Horwich, A.; Laguna, M.; Nicolai, N. & Oldenburg, J. EAU Guidelines: Testicular Cancer
. https://uroweb.org/guidelines/testicular-cancer/

DGU, DKG, AWMF, and L. Onkologie, “S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge der Keimzelltumoren des Hodens. Langversion 1.1.” [Online]. Available: https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/hodentumoren/

A. Stephenson, E. B. Bass, and B. R. Bixler, “Diagnosis and Treatment of Early-Stage Testicular Cancer: AUA Guideline.” [Online]. Available: https://www.auanet.org/guidelines-and-quality/guidelines/testicular-cancer-guideline

M. De Felici, F. G. Klinger, F. Campolo, C. R. Balistreri, M. Barchi, and S. Dolci, “To Be or Not to Be a Germ Cell: The Extragonadal Germ Cell Tumor Paradigm.,” Int J Mol Sci, vol. 22, no. 11, 2021, doi: 10.3390/ijms22115982.



  English Version: Diagnosis and treatment of extragonadal germ cell tumors