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Harnblasenekstrophie und Epispadie der Harnröhre
Definition der Harnblasenekstrophie und Epispadie
Seltenes Fehlbildungssyndrom mit gravierenden Fehlbildungen der Harnblase (Harnblasenekstrophie), der Harnröhre (Epispadie) und/oder des Darms (Kloakenekstrophie) mit oft lebenslangen Konsequenzen.
Epidemiologie
Inzidenz 2/100.000, male to female ratio = 3:1.
Pathologie der Harnblasenekstrophie
Hohe Varianz der Ausprägung von einzelnen Komponenten des Harnblasenekstrophie-Epispadie-Komplexes:
Harnblasenekstrophie:
Die Harnblasenekstrophie ist der fehlender Verschluss der vorderen Bauchdecke mit nach ventral offener Harnblase, ein direkter Blick auf das Trigonum ist möglich. Die Harnblasenschleimhaut prolabiert aus dem Bauchwanddefekt. Zusätzlich besteht eine Diastase der Symphyse mit fehlender Verbindung zwischen rechtem und linkem Os pubis (Abstand 2 bis 8 cm).
Epispadie:
Die Epispadie ist eine nach dorsal offene Harnröhre. Bei Jungen variables Ausmaß der Epispadie, von der Harnröhrenmündung bis zur Glans zieht die Urethralplatte. Bei Mädchen besteht häufig keine geschlossene Urethra, die Urethralplatte zieht vom Harnblasenhals bis zum Hymenring. Proximale Epispadieformen gehen i. d. R. mit Sphinkterdefekten und Inkontinenz einher.
Kloakenekstrophie:
Die Kloakenekstrophie ist eine Fehlbildung mit fehlendem Verschluss der ventralen Kolonwand, nach proximal findet sich eine Öffnung für das Ileum und nach distal für den Anus. Rechts und links des nach ventral offenen Kolons liegt ein Teil der Harnblase mit je einer Uretermündung.
Assoziierte Fehlbildungen:
Deformitäten der Wirbelsäule und des Beckens, Hüftgelenksdysplasie, Anomalien des oberen Harntrakts, Uterusdoppelanlage, Leistenhernien, Fehlbildungen des Herzens.
Ätiologie: Ekstrophie der Harnblase
Genetik:
Familiäre Erkrankung mit wahrscheinlich polygenetischer Ursache und beeinflussenden Umweltfaktoren. Das Risiko für Geschwister liegt zwischen 0,3–2,3%. Beeinflussende Risikofaktoren sind Rauchen und hormonelle Veränderungen in der frühen Schwangerschaft.
Embryologie:
Das fehlende Einwachsen von Mesoderm in die Kloakenmembran verhindert die Entwicklung der vorderen Bauchdecke. Die fragile Kloakalmembran reißt im Verlauf der Embryonalentwicklung ein, der Zeitpunkt der Ruptur und das Entwicklungsstadium zum Zeitpunkt der Ruptur bestimmen das Ausmaß der Fehlbildung: Blasenexstrophie, Epispadie und Kloakenexstrophie. Andere Mechanismen oder alternative Erklärungen sind Defekte der Entwicklung des Genitalhöckers, des Beckenknochens oder der lateralen Körperwandfalten.
Therapie des Harnblasenekstrophie-Epispadie Komplexes
Erstmaßnahmen nach der Geburt:
- Versorgung der Nabelschnur mit einer Ligatur.
- Schutz der empfindlichen Harnblasenmukosa durch Abdecken mit steriler Plastikfolie und regelmäßiger Anfeuchten mit Kochsalzlösung.
- Verlegung des Kindes in ein kinderurologisches Zentrum mit Erfahrung in der operativen Versorgung der komplexen Fehlbildung.
- Klinische Untersuchung zur Abschätzung der Harnblasenkapazität. Bildgebung der Urogenitalorgane: Sonographie, Nierenszintigraphie.
Primärer Verschluss der Harnblasenekstrophie:
Für einen erfolgreichen primären Verschluss sollte die geschätzte Harnblasenkapazität über 5 ml liegen. Der Eingriff findet in den ersten Lebenstagen statt und beinhaltet die komplette Mobilisation der Harnblasenplatte, Präparation der Urethralplatte und Corpora, Verschluss der Harnblase mit Harnblasenhals und proximaler Harnröhre. Approximation der Symphyse über dem Harnblasenhals. Manche Autoren befürworten bei guten Bedingungen einen Verschluss der Epispadie in gleicher Sitzung.
Verschluss der Epispadie:
Die Korrektur wird mit 6–12 Lebensmonaten durchgeführt. Zur Phallusvergrößerung werden vorausgehende Testosterongaben empfohlen. Notwendige Operationsschritte sind die Präparation und Tubularisierung der Urethralplatte, Trennung der Corpora cavernosa ("penile disassembly technique"), Verlagerung der Neourethra nach ventral, Wiedervereinigung der Corpora und Hautverschluss [Abb. Operationsschritte zur Korrektur einer Epispadie].
Chirurgische Alternativen bei zu kleiner Harnblasenkapazität:
- Verzögerter Verschluss (6–12 Monate nach Geburt) nach Wachstum der Harnblasenplatte.
- Verschluss mit Vergrößerung der Harnblasenkapazität durch eine Ileozystoplastie.
- Harnableitung mit einem katheterisierbaren kontinenten Stoma.
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Literatur Harnblasenekstrophie
Kiddoo u.a. 2004 KIDDOO, D. A. ; CARR, M. C. ; DULCZAK, S. ; CANNING, D. A.: Initial management of complex urological disorders: bladder exstrophy.In: Urol Clin North Am
31 (2004), Nr. 3, S. 417–26, vii-viii
Woodhouse u.a. 2006 WOODHOUSE, C. R. ; NORTH,
A. C. ; GEARHART, J. P.:
Standing the test of time: long-term outcome of reconstruction of the
exstrophy bladder.
In: World J Urol
(2006)
English Version: Bladder exstrophy and epispadias