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Klinik und Diagnose der Nierenkolik
- Nephrolithiasis: Ursachen der Steinentstehung
- Nierenkolik: Klinik und Diagnose
- Nierensteine: operative Therapie und Prophylaxe
Symptome
Schmerzen:
Die Nierenkolik ist ein typischerweise plötzlich eintretender Flankenschmerzen, kontinuierlich oder wechselnd in der Intensität, die Schmerzausstrahlung hängt von der Steinlokalisation ab.
Steinlokalisation im Nierenbecken:
kolikartiger (durch Dehnung des Nierenbeckens) oder konstanter (durch Dehnung der Nierenkapsel bei Obstruktion) Flankenschmerz.
Steinlokalisation im Ureter:
kolikartiger oder konstanter Flankenschmerz mit Ausstrahlung in den Unterbauch.
Steinlokalisation vor der Blase:
kolikartiger oder konstanter Schmerz in der Flanke, mit Ausstrahlung in den Unterbauch, Hodensack oder große Schamlippe mit Hyperästhesie. Weiterhin Pollakisurie durch eine Blasenirritation aufgrund des prävesikalen Steins.
Komplikationen der Nephrolithiasis (Nierensteine):
Der behinderte Harnabfluss verursacht Harnstau, es besteht die Gefahr der infizierten Hydronephrose mit Urosepsis. Plötzlicher Harnstau kann zu einer Fornixruptur führen, dabei kommt es zu einem Urinaustritt (Urinom) durch Einriss des Nierenkelchs am Übergang zum Nierenparenchym. Die Verlegung eines Kelchhalses durch einen Nierenstein kann bei Infektion zu einem Nierenabszess führen. Dauerhafter Harnstau führt zu einem Funktionsverlust der Niere und je nach Funktion der Gegenseite zu einer Niereninsuffizienz.
Schmerztherapie der akuten Nierenkolik
Sofort 1–2 g Metamizol als Kurzinfusion gegen Schmerzen ohne weitere Diagnostik. Tageshöchstdosis von Metamizol 6 g (70 mg/kgKG) [siehe Kapitel Medikamente/Metamizol]. Als Alternative zu Metamizol können andere NSAR (z.B. Diclofenac) gegeben werden. Bei nicht suffizienter Analgesie werden zusätzlich Opiate verabreicht (z. B. Piritramid 5–10 mg langsam i. v.). Medikamentös unstillbare Koliken sind eine Indikation zur Harnleiterschienung.
Diagnostik
Diagnostik bei Nierenkoliken
Urinsediment:
(Mikro- oder Makro-)Hämaturie, Kristallurie im Urinsediment.
Sonographie:
In der Sonographie sind Harnsteine mit einem echogenen Reflex mit dorsalem Schallschatten zu erkennen [Abb. Sonographie Nierenkelchstein und Sonographie Nierenbeckenstein]. Mittels Sonographie können Steine in der Niere und im proximalen Harnleiter diagnostiziert werden. Bei ausreichender Harnblasenfüllung können prävesikale Harnsteine detektiert werden [Abb. Sonographie prävesikaler Ureterstein]. Ein indirekter Hinweis für Ureterolithiasis ist der Nachweis von Harnstau.
Doppler-Sonographie:
Mit der farbkodierten Duplex-Sonographie kann der Urinjet aus dem Ostium intravesikal detektiert werden. Ein fehlender Nachweis ist ein indirekter Hinweis für einen okkludierenden Harnleiterstein. Die einseitige Erhöhung des Resistance-Index (RI) ist ebenfalls ein indirekter Hinweis für eine akute Obstruktion. Die Duplex-Sonographie hilft auch bei der Identifikation von Nierenkelchsteinen: der twinkling Artefakt führt zu einem schnell wechselnden Farbdopplersignal hinter dem echogenen Reflex [Abb. twinkling Artefakt].
CT-Abdomen nativ (low-dose)
Die CT-Untersuchung verdrängt zunehmend das Urogramm in der Diagnostik der Nierenkolik [Abb. 2.17]. Neben der zuverlässigen Erfassung von Nephrolithiasis und Harnstau können viele differentialdiagnostisch wichtige Erkrankungen wie Cholelithiasis, Ulkusperforation, Ileus, Divertikulitis u. v. m. erfasst werden. Nachteilig ist die fehlende Darstellung der Anatomie der ableitenden Harnwege. Die Strahlendosis kann bei der Fragestellung nach Nephrolithiasis deutlich reduziert werden, aktuelle Untersuchungstechniken benötigen etwa 2--4 mSv. Ein weiterer entscheidender Vorteil ist die Vermeidung von Kontrastmittel. Die Kontrastmittel ist während Koliken kontraindiziert, da durch die verstärkte Diurese die Gefahr einer Fornixruptur besteht [Abb. CT-Abdomen mit Fornixruptur].
Weitere Diagnostik bei Nephrolithiasis
Urogramm:
Das Urogramm wurde früher zum Nachweis einer Nephrolithiasis angewendet [Abb. distaler Harnleiterstein und proximaler Harnleiterstein], ist aber vom CT-Abdomen nativ verdrängt worden. Das Urogramm sollte nicht während Koliken durchgeführt werden, da durch die verstärkte Diurese die Gefahr einer Fornixruptur besteht [Abb. Fornixruptur]. Vorteil des Urogramms ist die Darstellung der Anatomie der ableitenden Harnwege zur Planung der Steintherapie [Abb. Ausgussstein im Urogramm].
Radiologische Zeichen der Urolithiasis:
Die meisten Nierensteine sind in der Nativaufnahme (Röntgen-Abdomen) als röntgendichte Verschattungen in Projektion auf die Harnwege zu erkennen (außer Harnsäure- oder Xanthinsteine). Eine prompte beidseitge KM-Ausscheidung spricht für eine gute Nierenfunktion und gegen Harnstau. Zeichen des Harnstaus sind eine verzögerte KM-Ausscheidung und ein erweitertes NBKS. Auf den Spätbildern 1–2 h nach KM-Gabe zeigt sich häufig eine Kontrastierung des Harnleiters bis zum Harnleiterstein, bei nicht schattengebenden Harnleitersteinen mit Füllungsdefekt [Abb. Distaler Harnleiterstein im Urogramm]. Selten ist eine Fornixruptur mit Extravasation zu beobachten.
Nephrokalzinose:
Die Nephrokalzinose ist eine radiologische deskriptive Diagnose: bilaterale Ablagerung von Kalziumkristallen im Nierenparenchym und Tubulussystem, häufig auch mit Nephrolithiasis einhergehend [Abb. Nephrokalzinose]. In der Röntgenleeraufnahme zeigen sich multiple Verkalkungen in Projektion auf die Nieren, strahlenartige Verkalkungen entsprechen den Verkalkungen in den Sammelrohren. Ursachen der Nephrokalzinose sind eine Hyperkalziurie (u.a. renal-tubuläre Azidose, Hyperparathyreoidismus, Vit. D-Intoxikation, Milch-Alkali-Syndrom, Sarkoidose, Tubulopathien, Markschwammniere und andere genetische Ursachen der Hyperkalziurie).
Retrograde Pyelographie:
Die retrograde Pyelographie ist indiziert bei zweifelhaften Befunden in der Sonographie und Urographie, weiterhin auch vor endoskopischer Therapie.
MRT-Urographie:
Die MRT-Urographie ist indiziert bei bei Kindern oder Schwangeren zur Vermeidung der Strahlenbelastung oder V. a. Indinavir-Konkremente.
Metabolische Diagnostik
Basisprogramm:
wird bei jedem Patienten mit Erstdiagnose einer Nephrolithiasis durchgeführt.
Anamnese:
Steinanamnese, Ernährung, Medikamente, Familienanamnese.
Urin:
Urinsediment und Urinkultur, Urin-pH.
Serum:
Kreatinin, Harnsäure, Natrium, Kalium, Calcium.
Erweiterte metabolische Diagnostik:
indiziert bei hohem Risiko für ein Rezidiv (siehe Tab. Risikofaktoren für Rezidivnephrolithiasis) oder bei pathologischen Befunden in der Basisdiagnostik. Die erweiterte Diagnostik sollte idealerweise im steinfreien Intervall durchgeführt werden.
Hochrisikogruppe für Rezidivnephrolithiasis | |
Anamnese | Mehr als 3 Rezidive in 3 Jahren, Kinder und Jugendliche, positive Familienanamnese |
Bildgebung | Einzelniere, residuale Steinfragmente nach Therapie, Nephrokalzinose, bilateral große Steinlast |
Steinarten | Infektsteine, Brushitsteine, Harnsäuresteine, Xanthinsteine |
Gene | Zystinurie (Typ A, B und C), primäre Hyperoxalurie, renale tubuläre Azidose Typ I, APRT (Adenin Phosphoribosyltransferase)-Defizienz, Xanthinoxidase-Defizienz, zystische Fibrose, ADPKD, |
Weitere Erkrankungen | Hyperparathyreoidismus, Sarkoidose, gastrointestinale Erkrankungen wie Morbus Crohn, Malabsorption, Kurzdarmsyndrom oder Kolitis |
24 h-Urin:
Folgende Parameter (je nach Steinanalyse) werden bestimmt: Volumen, spezifisches Gewicht, pH, Kreatinin, Kalzium, Harnsäure, Oxalat, Zitrat, Natrium, Magnesium, Phosphat, Ammonium, Zystin.
Bei einer Hyperkalziurie kann eine erneute 24 h-Urin-Messung nach einer Woche Natrium- und kalziumarmer Diät durchgeführt werden. Sinkt die Kalziumausscheidung unter 250 mg/24 h liegt eine Typ II (diätabhängige) absorptive Hyperkalziurie vor. Die Unterscheidung zwischen verschiedenen Formen der absorptiven Hyperkalziurie ist jedoch von geringem klinischem Wert.
pH-Urin-Tagesprofil:
über einen Tag wird bei jeder Miktionsportion der pH-Wert bestimmt. Konstante pH-Werte über 7 sprechen für eine bakterielle Infektion. Konstante pH-Werte über 5,8 sind typisch für eine renale tubuläre Azidose. Konstante pH-Werte unter 5,8 finden sich bei einer Säurestarre und führen zu Harnsäuresteinen.
Serum:
Harnstoff, Harnsäure, Kreatinin, Kalzium, Phosphat, Vit. D3 und Parathormon.
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English Version: Diagnosis of renal colic and nephrolithiasis