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Prophylaxe und Therapie der Neutropenie
Definitionen der Neutropenie
Die Neutropenie ist definiert als der Nachweis von <500/μl neutrophilen Granulozyten oder Nachweis von <1000/μl neutrophilen Granulozyten mit erwartetem Abfall unter <500/μl innerhalb der nächsten zwei Tage (Naurois u.a., 2010).
Asymptomatische Neutropenie
Oben genannte Definition der Neutropenie trifft zu, zusätzlich Körpertemperatur <38 Grad Celsius. Das Risiko einer Infektion ist signifikant erhöht.
Febrile Neutropenie
Oben genannte Definition der Neutropenie trifft zu, Körpertemperatur >38,0 Grad Celsius. Die Mortalität beträgt durchschnittlich 5%, bei Niedrigrisikopatienten aber nur 1%.
- Niedrigrisikopatient: der MASCC-Score liegt >21 [siehe Tab. MASCC-Score für Patienten mit Neutropenie].
- Hochrisikopatient: der MASCC-Score liegt unter 21.
Risikoscore nach MASCC | |
Symptome: | |
Keine oder nur milde Symptome | 5 |
Moderate Symptome | 3 |
Schwere Symptome | 0 |
Keine Hypotonie | 5 |
Keine COPD | 4 |
Keine Dehydratation | 4 |
Solider Tumor ohne Z.n. Pilzinfektion | 4 |
Ambulanter Patient bei Fieberbeginn | 3 |
Alter unter 60 Jahren | 2 |
Schweregrad der Neutropenie nach CTCAE
- Grad 0: Neutrophile Granulozyten im Normbereich
- Grad 1: 1500–≤2000/μl neutrophile Granulozyten
- Grad 2: 1000–≤1500/μl neutrophile Granulozyten
- Grad 3: 500–≤1000/μl neutrophile Granulozyten
- Grad 4: <500/μl neutrophile Granulozyten oder jede lebensbedrohliche Komplikation
- Grad 5: jede tödliche Komplikation durch die Neutropenie
Diagnose
Routinediagnostik: |
Differentialblutbild |
PTT, Quick, Nierenwerte, Leberwerte, CRP |
Mindestens zwei Blutkulturen |
Blutkulturen aus ZVK, falls vorhanden |
Urinsediment und Urinkultur |
Sputummikroskopie und Sputumkultur |
Stuhlkultur bei Diarrhoe |
Röntgen-Thorax |
Diagnostik bei fehlender Besserung: |
CT-Thorax und Abdomen |
Bronchoalveoläre Lavage |
Echokardiographie |
Opthalmoskopie |
Weitere Serologie und Bildgebung je nach Klinik |
Prophylaxe der febrilen Neutropenie
Der prophylaktische Einsatz von G-CSF (granuolocyte-colony stimulating factor) ist bei Chemotherapieschemata mit einem Risiko der febrilen Neutropenie von über 20% gerechtfertigt (z.B. MVAC, Paclitaxel/Carboplatin oder PEI). Als Sekundärprophylaxe wird G-CSF gegeben, wenn eine Neutropenie eine kurative Chemotherapie verzögert (z.B. Therapie von Keimzelltumoren mit PEB). Dosierung z.B. Pegfilgrastim 6 mg s.c. einmalig nach jedem Chemotherapiezyklus.
Therapie der asymptomatischen Neutropenie
Der Einsatz von G-CSF wird nicht empfohlen. Wichtig sind hygienische Maßnahmen [Tab. Umkehrisolierung] und eine engmaschige Überwachung der Körpertemperatur. Eine prophylaktische antibiotische, antimykotische und antivirale Therapie ist in Abhängigkeit der klinischen Situation notwendig.
Umkehrisolierung bei Neutropenie |
Einzelzimmer mit eigener Sanitäreinheit |
Besuch nur nach strenger Händehygiene mit Mundschutz und Kittel |
Keine Blumen oder Pflanzen |
Weiche Zahnbürste, regelmäßige Mundspülungen |
Spezielle keimarme Nahrung |
Keine rektalen Manipulationen |
Verzicht auf Dauerkatheter oder Venenkatheter |
Therapie der febrilen Neutropenie
Die Diagnose und Therapie einer febrilen Neutropenie ist ein onkologischer Notfall, innerhalb von zwei Stunden sollte mit der Therapie begonnen werden. Wichtig sind hygienische Maßnahmen [Tab. Umkehrisolierung]. Niedrigrisikopatienten mit geringen Beschwerden können eine orale Antibiotikatherapie erhalten (z.B. Fluorchinolone kombiniert mit Aminopenicillin und Clavulansäure), ansonsten Beginn einer intravenösen Antibiotikatherapie mit Ceftazidime oder Carbapenemen. Bei schwer kranken Patienten sind Kombinationen wie Cephalosporine der dritten Generation mit Aminoglykosid zu bevorzugen.
Bei fehlender Besserung innerhalb von 48–72 h sind weitere Untersuchungen notwendig [Tab. Diagnose der Neutropenie], ggf. Umstellung der Antibiose und Beginn einer antimykotischen Therapie.
Indikationen für G-CSF im Rahmen der febrilen Neutropenie
Der Einsatz von G-CSF bei der febrilen Neutropenie ist nur bei Vorliegen von Risikofaktoren für einen komplikationsträchtigen Verlauf sinnvoll:
- Erwartete Neutropeniedauer über 10 Tage
- <100/μl neutrophile Granulozyten
- Rezidivtherapie
- Frühere Pilzinfektionen
- Alter über 60 Jahre
- Reduzierter Allgemeinzustand
- Große Tumorlast
- Nachweis einer Pneumonie
- Erhöhte Komorbidität (Diabetes, COPD, Insuffizienz von Leber, Niere oder Herz)
Dosierung von G-CSF
z.B. Filgrastim s.c. 5 μg/kgKG täglich, Beginn 24–72 h nach Ende der Chemotherapiegabe. Die Therapie wird beendet, wenn >1500/μl neutrophile Granulozyten über zwei Tage nachweisbar sind.
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Literatur
Retz, M. & Gschwend, J. (ed.)
Medikamentöse
Tumortherapie in der Uroonkologie
Springer Verlag Berlin
Heidelberg, 2010.