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Dirk Manski

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Retroperitoneale Lymphadenektomie (RLA): Operative Technik und Komplikationen

Indikation zur retroperitonealen Lymphadenektomie

Kontraindikationen der retroperitonealen Lymphadenektomie

Präoperativ sollte eine komplette Resektion der Tumormanifestation möglich erscheinen. Keine Metastasen in anderer Lokalisation oder erhöhte/steigende Tumormarker, die eine zusätzliche Chemotherapie erforderlich machen. Gerinnungsstörung. Weitere Kontraindikationen sind abhängig von den Grunderkrankungen (Operationsrisiko) und der Bedeutung der RLA für die Lebenserwartung des Patienten.

Technik der retroperitonealen Lymphadenektomie

Patientenvorbereitung:

Zwei Tage vor dem Eingriff ballaststoffarme Diät, am präoperativen Tag klare (energiereiche) Flüssigkeiten (Wasser, Säfte, Brühe) und ein Einlauf am Abend vor der Operation. Perioperative Antibiotikaprophylaxe bei Risikofaktoren für Wundinfektionen. Perioperativer Dauerkatheter. Perioperative Magensonde. Periduralanästhesie wenn möglich und gewünscht.

Transperitonealer Zugang:

Mediane Laparotomie von Xiphoid bis Mitte Unterbauch. Durchtrennung des Lig. teres hepatis und Lösung der Leber vom Zwerchfell. Inzision der laterokolischen Rinne, weiterhin Inzision des Peritoneums entlang des Dünndarmmeso bis zum Treitz-Band. Das Colon ascendens und das komplette Mesentericum des Dünndarms werden vom Retroperitoneum gelöst und nach kranial verlagert. Präparation des Duodenums und ggf. Pankreas, bis die Nierenvenen als kraniale Grenze des Dissektionsgebiets sichtbar werden. Feuchte Bauchtücher schützen das Darmpaket, das auf dem Thorax gelagert und regelmäßig auf Durchblutung kontrolliert wird (Ischämie z. B. durch Hakenzug gegen die Vasa mesentericae superiores).

Thorako-abdomineller Zugang:

Der thorako-abdominelle Zugang ist nur bei pathologischen retrokruralen Lymphknoten indiziert.

Dissektionsgrenzen der nervenschonenden retroperitonealen Lymphadenektomie:

Zur Reduktion der Häufigkeit der retrograden Ejakulation wurden in Abhängigkeit der Wahrscheinlichkeit für Lymphknotenmetastasen ein (modifiziertes) Dissektionsgebiet für rechts- und linksseitige Hodentumoren entwickelt. Neben der Einhaltung der Dissektionsgrenzen ist die Identifikation der Grenzstrangganglien und Schonung der austretenden sympathischen Nervenfasern durch das Dissektionsfeld notwendig. Die intraoperative Schnellschnittuntersuchung wird unterschiedlich gehandhabt. Vor allem in offen-chirurgischen Zentren und in wenigen laparoskopischen Zentren werden die Lymphknoten zur Schnellschnittuntersuchung eingesandt und bei nachgewiesener Metastasierung auch die Lymphknoten im kontralateralen Dissektionsfeld entfernt (bilaterale nervenschonende Lymphadenektomie). In vielen laparoskopischen Zentren wird keine intraoperative Schnellschnittuntersuchung durchgeführt, bei positiven Lymphknoten wird eine adjuvante Chemotherapie empfohlen.

Rechtsseitiger Hodentumor:

Rechte laterale Grenze Vena testicularis und Ureter, nach kranial Nierengefäße, linke laterale Grenze komplette Aorta bis zum Abgang der A. mesenterica inferior, dann nur noch interaortokaval bis zu den Vasa iliacae. Die interaortokavalen Lymphknoten sollten entfernt werden [Abb. Grenzen der RLA].


Dissektionsgrenzen der modifizierten retroperitonealen Lymphadenektomie rechts und links: A. phrenica inferior (1), Truncus coeliacus (2), A. mesenterica sup. (3), A. renalis (ohne Beschriftung), A. + V. testicularis/ovarica (4), A. mesenterica inf. (5), A. sacralis mediana (6), A. iliaca communis (7). Abb. modifiziert aus Gray’s Anatomy, Lea and Febinger 1918, Philadelphia, USA.
Dissektionsgrenzen der modifizierten rechtsseitigen und linksseitigen retroperitonealen Lymphadenektomie

Linksseitiger Hodentumor:

Linke laterale Grenze Vena testicularis und Ureter, nach kranial Nierengefäße, rechte mediale Grenze komplette Aorta ohne interaortale Lymphknoten [Abb. Grenzen der RLA].

Dissektionsgrenzen der radikalen retroperitonealen Lymphadenektomie:

Die bilaterale radikale retroperitoneale Lymphadenektomie ist indiziert bei fortgeschrittenen Keimzelltumoren mit initial bilateralen Metastasen und Resttumormassen nach Chemotherapie. Um alle Lymphknoten entlang der großen Gefäße zu entfernen, wird die Split-and-Roll Technik verwendet. Zunächst wird das Lymphgewebe auf der Aorta und auf der V. cava inferior über die gesamte Länge gespalten (Split). Dann werden die großen Gefäße zur Seite gerollt und die Lumbalarterien und Lumbalvenen in der Nähe der großen Gefäße zwischen Ligaturen oder Clips durchtrennt (Roll). Aorta und V. cava inferior werden komplett vom auf der Wirbelsäule aufsitzenden Lymphgewebe getrennt. Mit Hilfe von Gefäßzügeln werden die Gefäße angehoben und das Lymphgewebe entfernt, dabei müssen die Lumbalarterien und Lumbalvenen wirbelsäulennah nochmals durchtrennt werden. Grenzstrangganglien und austretende sympathische Nervenfasern werden nach Möglichkeit identifiziert und geschont.

Wundverschluss:

Sorgfältige Blutstillung. Robinson-Drainage. Reposition der Darmschlingen. Siehe Abschnitt mediane Laparotomie für den Wundverschluss.

Nachsorge der retroperitonealer Lymphadenektomie

Allgemeine Maßnahmen:

Frühe Mobilisation. Atemtherapie. Thromboseprophylaxe, Heparinjektionen in den Oberarm. Laborkontrollen (Hb, Kreatinin). Wundkontrollen. Wunddrainageentfernung, wenn keine chylöse Sekretion nach Kostaufbau vorliegt.

Analgesie:

Idealerweise über einen Epiduralkatheter. Zusätzlich Schmerztherapie mit einer Kombination aus Nichtopioid-Analgetika und Opioid-Analgetika.

Kostaufbau:

Entfernung der Magensonde nach der Operation. Schluckweise Tee und klare Brühe am ersten postoperativen Tag, danach Kostaufbau.

Komplikationen der retroperitonealer Lymphadenektomie

Die RLA nach Chemotherapie (Baniel et al., 1995) hat eine deutlich höhere Komplikationsrate als die RLA im Stadium I (Baniel et al., 1994).

Retrograde Ejakulation nach retroperitonealer Lymphadenektomie:

Neben der Einhaltung der Dissektionsgrenzen ist die Identifikation und Schonung der Grenzstrangganglien und sympathischen Nervenfasern notwendig. Die Ergebnisse sind für die primäre nervenschonende RLA günstiger (unter 5 % retrograde Ejakulation) als für die radikale RLA nach Chemotherapie.

Nachbarorganverletzung:

Paralytischer Ileus, Darmverletzung, Peritonitis, Pankreasschwanzverletzung mit Ausbildung einer Pankreasfistel. Chylusfistel durch Verletzung der Darmlymphgefäße. Leberrisse, Milzverletzung (Splenektomie).

Allgemeine Komplikationen:

Blutung, Wundinfektion, Thrombose, Lungenembolie, Atelektasen, Pneumonie, akutes Nierenversagen.

Mortalität:

0,8 % bei RLA nach Chemotherapie.






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Literatur

J. Baniel, R. S. Foster, R. G. Rowland, R. Bihrle, und J. P. Donohue. Complications of primary retroperitoneal lymph node dissection.
J Urol, 152 (2 Pt 1): 424–427, Aug 1994.

J. Baniel, R. S. Foster, R. G. Rowland, R. Bihrle, und J. P. Donohue. Complications of post-chemotherapy retroperitoneal lymph node dissection.
J Urol, 153 (3 Pt 2): 976–980, Mar 1995.

H. W. Herr, J. Sheinfeld, H. S. Puc, R. Heelan, D. F. Bajorin, P. Mencel, G. J. Bosl, und R. J. Motzer. Surgery for a post-chemotherapy residual mass in seminoma.
J Urol, 157 (3): 860–862, Mar 1997.

  English Version: Surgical technique and complications of retroperitoneal lymphadenectomy

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