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Ursachen und Symptome der akuten Pyelonephritis
- Akute Pyelonephritis: Definition, Ursachen und Pathologie
- Nierenbeckenentzündung: Therapie
Definition der akuten Pyelonephritis
Akute bakterielle Infektion des Nierenbeckens und des Nierenparenchyms mit Fieber, Flankenschmerzen und Bakteriurie. Klinisch wird eine akute Pyelonephritis definiert als eine Harnwegsinfektion, welche mit Flankenschmerzen, klopfschmerzhaftem Nierenlager und/oder Fieber (> 38 Grad Celsius) einhergeht.
Unkomplizierte Pyelonephritis:
Akute Harnwegsinfektion des oberen Harntrakts, beschränkt auf nicht-schwangere Frauen vor der Menopause, ohne anatomischen oder funktionelle Auffälligkeiten am Harntrakt oder infektionsfördernde Begleiterkrankungen.
Komplizierte Pyelonephritis:
Alle Pyelonephritiden, welche nicht als unkompliziert klassifiziert werden können: bei Männern oder schwangeren Frauen, Anwesenheit von anatomischen Fehlbildungen, Harnblasenkatheter, Nierenerkrankungen oder infektionsfördernde Begleiterkrankungen.
Ätiologie und Pathogenese der Pyelonephritis
Aszendierende Infektion:
Die aszendierende Infektion ist die häufigste Ursache für eine Pyelonephritis. Da die weibliche Urethra kurz ist und Darmbakterien dazu neigen, das Perineum und die Vulva zu besiedeln, sind Frauen deutlich häufiger von Harnwegsinfektionen und Pyelonephritiden betroffen als Männer. Siehe Allgemeine Grundlagen von Harnwegsinfektionen.
Erregerspektrum: die häufigsten Erreger unkomplizierter Harnwegsinfektionen sind E. coli und Enterokokken, gefolgt von Proteus mirabilis, Staphylokokken und Klebsiella pneumoniae.
Vesikoureteraler Reflux:
Der vesikoureterale Reflux führt zu Pendelurin, welcher sich infiziert. Es entstehen Pyelonephritiden, die vor allem durch den intrarenalen Reflux narbig verlaufen. Die Papillenanatomie bedingt einen intrarenalen Reflux vor allem im Bereich der Nierenpole. Siehe auch Kapitel Vesikoureteraler Reflux.
Narbige Abheilung nach Pyelonephritis:
Rezidivierende Schübe einer akuten Pyelonephritis im Kindesalter erzeugen Nierenparenchymnarben. Es droht die Entstehung einer chronischen Pyelonephritis (Ask-Upmark-Niere). Neue Nierenparenchymnarben entstehen selten ab einem Alter von 5 Jahren, sind aber bis in die Pubertät möglich.
Als Ursache für die Anfälligkeit der kindlichen Niere für die Entstehung von Nierenparenchymnarben konnten folgende Mechanismen identifiziert werden: Intrarenaler Reflux, welcher bei deutlich geringeren Drücken als im Erwachsenenalter stattfindet, verminderte Immunkompetenz bei bakteriellen Infektionen in den ersten Lebensjahren und klinische Schwierigkeiten in der frühzeitigen Diagnose von fiebrigen Harnwegsinfektionen.
Pyelonephritis in der Schwangerschaft:
Die Häufigkeit der Bakteriurie beträgt in der Schwangerschaft 4–7 %, vergleichbar mit der Rate an Bakteriurie ohne Schwangerschaft. Davon entwickeln ungefähr 20–30 % der Patientinnen eine akute Pyelonephritis (1 % bis 4 % der Schwangeren), mit Häufung im zweiten Trimenon.
Komplikationen: Anämie (23 %), Sepsis (17 %), vorübergehendes Nierenversagen (2 %), pulmonale Komplikationen (7 %) und Frühgeburten.
Emphysematöse Pyelonephritis:
Emphysematöse Pyelonephritis ist eine v. a. bei Diabetes mellitus und/oder Obstruktion auftretende seltene und schwerwiegende Komplikation der akuten Pyelonephritis mit hoher Letalität (43 %). Der genaue Mechanismus der gramnegativen Infektion ist unklar. Vermutet wird eine Gasbildung von E. coli durch Fermentation. Das Gas verbleibt dabei innerhalb der Fascia renalis. Zu unterscheiden von der emphysematösen Pyelonephritis sind Nierenabszesse mit Gaseinschluss, welche eine günstige Prognose nach Drainage und Antibiotikatherapie besitzen.
Pathologie
Makroskopie:
Typisch für die akute Pyelonephritis sind vergrößerte Nieren durch ein entzündliches Ödem. Stecknadelkopfgroße erhabene Abszesse mit hämorrhagischem Randsaum, subkapsulär gelegen, gelegentlich konfluierend. Gelbliche Straßen (mit Eiter gefüllte Tubuli) vom Kortex zu den Papillen ziehend. Die Schleimhäute des Nierenbeckens sind verdickt und mit Exsudat bedeckt. Eine narbige Abheilung ist v. a. bei Kindern zu erwarten.
Histologie der akuten Pyelonephritis:
dichte granulozytäre Entzündung mit Einschmelzung und Gewebezerstörung im Nierenparenchym und Nierenbecken. Es handelt sich dabei um ein vor allem die Tubuli betreffendes fokales Geschehen, die Glomeruli sind weniger betroffen.
Klinik
- plötzliches Fieber und Schüttelfrost
- konstanter Flankenschmerz, besonders bei Kindern häufig als Bauchschmerz geschildert, starker Flankenklopfschmerz
- Pollakisurie, Dysurie
- Übelkeit, Erbrechen, Durchfall mit starkem Krankheitsgefühl, abdomineller Druckschmerz bis hin zu Abwehrspannung und Loslassschmerz, verringerte Darmgeräusche
- Tachykardie, Hypotonie
Komplikationen der akuten Pyelonephritis:
Sepsis, septischer Schock, emphysematöse Pyelonephritis bei Diabetes mellitus mit hoher Letalität, Nierenabszess, Nierenparenchymschäden durch narbige Heilung.
Diagnose der akuten Pyelonephritis
Die Diagnose stützt sich vor allem auf die Trias Fieber, Flankenschmerz und Pyurie. Radiologische Zeichen sind diskret und vieldeutig, finden sich nur bei jedem vierten Patienten. Der Wert der radiologischen Untersuchung liegt in der Differentialdiagnose, Aufklärung von begleitenden und verursachenden Erkrankungen sowie in der Erfassung von Komplikationen (Dalla-Palma und Pozzi-Mucelli, 2000) (Kawashima u.a., 2000).
Labor:
Leukozytose, erhöhte BSG, erhöhtes CRP, Anlegen einer Blutkultur bei schwerer Erkrankung.
Urinuntersuchung:
Flockig-trüber Urin, Pyurie (Granulozyten), Bakteriurie (>100 000 Kolonien/ml), milde Proteinurie, oft Mikro- oder Makrohämaturie, Leukozytenzylinder.
Vor Beginn der Antibiose muss zur Erregeridentifizierung und Austestung eine Urinkultur angelegt werden.
Sonographie:
Die Sonographie ist bei jedem Pat. mit V.a. Pyelonephritis indiziert. Wichtigste Aufgabe der Nierensonographie ist der Ausschluss einer Harnabflussstörung.
Sonographische Zeichen der Pyelonephritis sind unspezifisch und nur im Vergleich zu Voraufnahmen zu verwerten: Nierenvergrößerung, Parenchymmantel echoärmer und verbreitert. Bei der emphysematösen Pyelonephritis zeigen sich die Lufteinschlüsse durch echogene Strukturen mit dorsaler Schallauslöschung. Die Lufteinschlüsse sind im Nierenparenchym und perirenal nachweisbar. Nierenabszesse stellen sich als echoarme Raumforderungen dar, Lufteinschlüsse im Abszess sind möglich. Bei Nachweis von Abszessbildung oder Luft sollte eine CT durchgeführt werden.
Computertomographie:
Die Computertomographie ist indiziert bei fehlender Entfieberung innerhalb von 72 h, V. a. renalen/perirenalen Abszess, Nephrolithiasis, emphysematöser Nephritis oder Obstruktion.
Oben genannte Komplikationen können zuverlässig mit der CT erkannt werden [Abb. CT einer emphysematösen Pyelonephritis]. Die Zeichen der unkomplizierten akuten Pyelonephritis sind dezent. Im Seitenvergleich besteht eine Nierenvergrößerung, keilförmige regionale Einschränkung der KM-Anreicherung mit verzögertem Nephrogramm, entzündliche Infiltrate perirenal und evtl. eine schlechtere Nierenfunktion der betroffenen Seite.
Urogramm:
Das Urogramm ist (war) indiziert bei sonographischem Verdacht auf eine Harnabflussstörung oder Harnsteinen. Heutzutage wird das Urogramm mit einer Computertomographie ersetzt, welche das bildgebende Diagnostikum der Wahl ist. Bei pathologischen Retentionsparametern sollte ein Nativ-CT veranlasst werden.
Radiologische Zeichen der akuten PN im Urogramm sind: einseitige Nierenvergrößerung, Kontrastierung auf der betroffenen Seite verzögert, enggestellte und geringfügig aufgespreizte Kelche (durch das geschwollene Parenchym). Zeichen der Ureteropyelitis sind eine hypotone Pyeloureterektasie, Psoasrandphänomen, sichtbare Mukosastreifen aufgrund des Schleimhautödems. Im destruierenden Stadium der Pyelonephritis zeigen sich ausgefranste Papillenspitzen und Papillennekrosen.
Bei der emphysematösen Pyelonephritis zeigen sich im Urogramm Gaseinschlüsse innerhalb der Fascia renalis. Die Niere hat in der Regel keine gute Funktion mehr, mit dem Urogramm kann eine Obstruktion nicht ausgeschlossen werden, welche jedoch in 25 % vorliegt. Eine CT sollte veranlasst werden. Gas innerhalb des NBKS ist weniger dramatisch und nicht damit zu verwechseln.
Ausschluss eines vesikoureteralen Refluxes:
Rezidivierende Pyelonephritiden erfordern insbesondere bei Kindern den Ausschluss eines vesikoureteralen Refluxes. Diagnostikum der ersten Wahl ist die Sonographie der Nieren. Bei unauffälliger Untersuchung kann bei Jungen älter als ein Jahr auf weitere Untersuchungen verzichtet werden. Nach rezidivierender Pyelonephritis, bei sonographischen Auffälligkeiten (s.u.), bei Mädchen und bei Kindern unter 12 Monaten ist ein MCU und/oder eine DMSA-Szintigraphie indiziert. Ob zuerst ein MCU oder eine DMSA-Nierenszintigraphie oder beide Untersuchungen durchgeführt werden, ist umstritten. Bei Erwachsenen ist nach unkomplizierter Pyelonephritis das Vorkommen von VUR mit 2% sehr niedrig und die o.g. Untersuchungen sind i.Allg. nicht indiziert.
Differentialdiagnose der akuten Pyelonephritis
Pankreatitis, basale Pneumonie, Pleuritis, akute Appendizitis, akute Cholezystitis, Sigmadivertikulitis, Adnexitis, renaler und perirenaler Abszess.
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Siehe auch:
- Leitliniengerechte Therapie der unkomplizierten akuten Zystitis mit Fosfomycin
- S-3 Leitlinie der DGU: Management unkomplizierter bakterieller ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten.
Sachregistersuche: A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
Literatur akute Pyelonephritis
G. Bonkat, R. Bartoletti, F. Bruyère, S. E. Geerlings, F. Wagenlehner, and B. Wullt, “EAU Guideline: Urological Infections.” [Online]. Available: https://uroweb.org/guidelines/urological-infections/
Leitlinienprogramm DGU Interdisziplinäre S3 Leitlinie: Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten. Langversion 1.1-2. AWMF Registernummer: 043/0442017. https://www.awmf.org//uploads/tx_szleitlinien/043-044l_S3_Harnwegsinfektionen_2017-05.pdf
Dalla-Palma und Pozzi-Mucelli 2000 DALLA-PALMA, L. ; POZZI-MUCELLI, F.: [The imaging of chronic renal infections].
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Roberts 1999 ROBERTS, J. A.:
Management of pyelonephritis and upper urinary tract infections.
In: Urol Clin North Am
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English Version: Acute pyelonephritis