Dr. med. Dirk Manski

 Sie sind hier: Startseite > perioperative Therapie > Harnwegsinfektion > Grundlagen

Allgemeine Grundlagen von Harnwegsinfektionen

Definitionen von Harnwegsinfektionen

Die Harnwegsinfektion ist eine entzündliche Reaktion des Urotheliums auf eine bakterielle Invasion, die normalerweise mit Bakteriurie und Pyurie einhergeht (Campbell, 2015). Es exisitieren je nach betroffenem Organsystem verschiedene Formen der Harnwegsinfektion (HWI), welche teilweise gleichzeitig auftreten:

Akute Zystitis:

Die akute Akute Zystitis ist eine häufige Infektion der Harnblase, i. d. R. mit koliformen Bakterien [siehe Kapitel akute Zystitis und Harnwegsinfektionen in der Schwangerschaft ].

Akute Pyelonephritis:

Die akute Pyelonephritis ist eine akute bakterielle Infektion des Nierenbeckens und Nierenparenchyms mit Fieber, Schüttelfrost und Flankenschmerz [siehe Kapitel akute Pyelonephritis].

Akute Prostatitis:

Die akute Prostatitis ist eine bakterielle Entzündung der Prostata mit Fieber, schmerzhafter Prostataschwellung und Miktionsbeschwerden [siehe Kapitel akute Prostatitis].

Akute Urethritis:

Die akute Urethritis ist eine bakterielle Infektion der Harnröhre mit Dysurie und urethraler Sekretion, meist ohne Zeichen der Harnblaseninfektion [siehe Kapitel Gonorrhoe und nichtgonorrhoische Urethritis].

Epididymitis:

Die Epididymitis ist eine bakterielle Entzündung des Nebenhodens mit Schwellung, Schmerzen und Fieber.

Unkomplizierte Harnwegsinfektion:

Akute (sporadische oder rezidivierende) Harnwegsinfektion des unteren oder oberen Harntrakts, beschränkt auf nicht-schwangere Frauen vor der Menopause, ohne anatomischen oder funktionelle Auffälligkeiten am Harntrakt oder infektionsfördernde Begleiterkrankungen.

Komplizierte Harnwegsinfektion:

Alle Harnwegsinfektionen, welche nicht als unkompliziert klassifiziert werden können: bei Männern oder schwangeren Frauen, Infektion der Harnwege in Anwesenheit von anatomischen Fehlbildungen, Harnblasenkatheter, innerer Schienung, Nierenerkrankungen oder infektionsfördernden Begleiterkrankungen.

Rezidivierende Harnwegsinfektion:

Rezidivierende Harnwegsinfektionen liegen vor, wenn mindestens zwei symptomatische Harnwegsinfektionen pro Halbjahr oder drei symptomatische Episoden pro Jahr auftreten.

Nosokomiale Harnwegsinfektion:

Im Krankenhaus erworbene Harnwegsinfektion (oder alle Harnwegsinfektionen mit Beginn der Symptome nach mehr als vier Krankenhaustagen). Die überwiegende Mehrheit der nosokomialen Harnwegsinfektionen steht im Zusammenhang mit einer Katheterisierung des Harntrakts: catheter-associated urinary tract infection (CAUTI).

Urosepsis:

Lebensbedrohliche systemische Reaktion und Organdysfunktionen aufgrund einer bakteriellen Infektion der Harnwege oder der männlichen Geschlechtsorgane [siehe Kapitel Urosepsis].

Definitionen weiterer klinischer Syndrome

Asymptomatische Bakteriurie:

Unter asymptomatischer Bakteriurie versteht man die Ausscheidung von Bakterien im Urin ohne Infektionsreaktion des Körpers. Je nach Uringewinnung gibt es unterschiedliche Bakterienkonzentrationen für eine signifikante Bakteriurie, die von einer Keimkontamination abgegrenzt werden muss.

Leukozyturie oder Pyurie:

Ausscheidung von Leukozyten mit dem Urin, meist eine Reaktion auf eine Harnwegsinfektion, aber auch bei Harnsteinen, Tuberkulose oder Fremdkörpern.

Akutes urethrales Syndrom:

Das akute urethrale Syndrom ist definiert durch Dysurie, Pollakisurie und das Fehlen einer signifikanten Bakteriurie. Als Ursachen kommen zahlreiche Erkrankungen in Frage, siehe Differentialdiagnose von LUTS.

Chronische Prostatitis:

Die chronische Prostatitis ist eine ungenaue Bezeichnung für Krankheitsbilder wie chronische bakterielle Prostatitis, chronische nichtbakterielle Prostatitis, Prostatodynie oder chronisches Beckenschmerzsyndrom [siehe Kapitel Definition der Prostatitis nach NIH und Chronische Prostatitis und CPPS].

Chronische Pyelonephritis:

Die chronische Pyelonephritis ist eine in erster Linie radiologische Diagnose mit typischen renalen Narben und Kelchdeformitäten [siehe Kapitel chronische Pyelonephritis]. Bakteriurie und Infektzeichen sind nicht obligat.

Epidemiologie der Harnwegsinfektionen

Prävalenz von Harnweginfektionen:

Frauen haben ein viel höheres Risiko für Harnwegsinfektionen als Männer, siehe auch folgende Tabelle. Das Lebenszeitrisiko für Harnwegsinfektionen beträgt für Frauen nahezu 50%. Nach der ersten Harnwegsinfektion besteht ein relevantes Risiko für wiederkehrende Infektionen (0,3–3 Episoden/Jahr).

Prävalenz von Harnweginfektionen in Abhängigkeit von Alter und Geschlecht.
Alter Prävalenz Verhältnis (m:w)
neonatal 1 % 1,5:1
Vorschule 2–3 % 1:10
Schule 1–2 % 1:30
Erwachsene 2,5 % 1:50
Alter zuhause 20–30 % 1:10 bis 1:2
Pflegeheim 30 % 1:1

Epidemiologie von prämenopausale Frauen:

Inzidenz bei 10%, je nach Alter und Studie. Etwa 3% der Frauen berichten über rezdivierende Harnwegsinfektionen, also mindestens drei symptomatische Episoden pro Jahr (Buttler u.a., 2015).

Junge Männer:

6–8 Harnwegsinfektionen pro Jahr pro 10.000 Männer im Alter von 21 bis 50 Jahren.

Postmenopausale Frauen:

Die 1-Jahres-Prävalenz für eine Zystitis liegt bei 106/1000 Frauen, für eine Pyelonephritis bei 1--3/1000 Frauen.

Nosokomiale Infektionen:

Der Anteil der Harnwegsinfektionen an den nosokomialen Infektionen beträgt 20–40 %.

Prävalenz der asymptomatischen Bakteriurie:

Unter 1% bei jungen Männern, 5% bei gesunden prämenopausalen Frauen. 4 19% bei alten gesunden Patienten, 15 50% bei Bewohnern in Pflegeheimen und bis zu 90% bei Patienten mit Querschnittslähmung (EAU Leitlinie HWI).



Ursachen der Harnwegsinfektionen

Siehe Abschnitt Ursachen von Harnwegsinfektion.

Diagnose der Harnwegsinfektion

Siehe Abschnitt Diagnose der Harnwegsinfektion.

Antibiotikatherapie und Vorbeugung von Harnwegsinfektionen

Siehe Abschnitt Therapie von Harnwegsinfektionen.






 Sachregistersuche: A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z


Literatur Harnwegsinfektion

G. Bonkat, R. Bartoletti, F. Bruyère, S. E. Geerlings, F. Wagenlehner, and B. Wullt, “EAU Guideline: Urological Infections.” [Online]. Available: https://uroweb.org/guidelines/urological-infections/

Leitlinienprogramm DGU Interdisziplinäre S3 Leitlinie: Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten. Langversion 1.1-2. AWMF Registernummer: 043/044
2017. https://www.awmf.org//uploads/tx_szleitlinien/043-044l_S3_Harnwegsinfektionen_2017-05.pdf

Bauer u.a. 2002 BAUER, H. W. ; RAHLFS, V. W. ; LAUENER, P. A. ; BLESSMANN, G. S.: Prevention of recurrent urinary tract infections with immuno-active E. coli fractions: a meta-analysis of five placebo-controlled double-blind studies.
In: Int J Antimicrob Agents
19 (2002), Nr. 6, S. 451–6

Kass 2002 KASS, E. H.: Asymptomatic infections of the urinary tract. 1956.
In: J Urol
167 (2002), Nr. 2 Pt 2, S. 1016–9; discussion 1019–21

Krieger 2002 KRIEGER, J. N.: Urinary tract infections: what’s new?
In: J Urol
168 (2002), Nr. 6, S. 2351–8

Nickel 2005a NICKEL, J. C.: Management of urinary tract infections: historical perspective and current strategies: Part 1–Before antibiotics.
In: J Urol
173 (2005), Nr. 1, S. 21–6

Nickel 2005b NICKEL, J. C.: Management of urinary tract infections: historical perspective and current strategies: Part 2-Modern management.
In: J Urol
173 (2005), Nr. 1, S. 27–32

Sobel und Vazquez 1999 SOBEL, J. D. ; VAZQUEZ, J. A.: Fungal infections of the urinary tract.
In: World J Urol
17 (1999), Nr. 6, S. 410–4

Sussman und Gally 1999 SUSSMAN, M. ; GALLY, D. L.: The biology of cystitis: host and bacterial factors.
In: Annu Rev Med
50 (1999), S. 149–58

Wagenlehner und Naber 2006 WAGENLEHNER, F. M. ; NABER, K. G.: Treatment of bacterial urinary tract infections: presence and future.
In: Eur Urol
49 (2006), Nr. 2, S. 235–44



  English Version: Urinary tract infection