Dr. med. Dirk Manski

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Harnableitung nach Zystektomie: Technik und Komplikationen

Prinzipielle Unterteilung der Harnableitungen:


Abbildung heterotope Harnableitung Mainz-Pouch I
Heterotope kontinente Harnableitung: Mainz-Pouch I.

Orthotope kontinente Harnableitung:

Die Harnableitung ersetzt die Harnblase und wird mit einem intaktem Schließmuskel verbunden. Beispiele: Ileumneoblase nach Studer oder Hautmann.

Heterotope kontinente Harnableitung:

Das kontinente Reservoir (Pouch) wird regelmäßig mittels Einmalkatheterismus entleert. Beispiele: MAINZ-Pouch 1, kontinenter Ileumpouch.

Heterotope inkontinente Harnableitung:

Die Harnleiter werden direkt oder mit zwischengeschaltetem Darm zur Haut (Stoma) herausgeführt. Beispiele: Harnleiterhautfistel, Ileum-Conduit, Kolon-Conduit.

Grundlagen der kontinenten Harnableitung

Reservoirvolumen:

Die Detubularisierung von Darmschlingen ist die Lösung für die Konstruktion eines Reservoirs mit großem Volumen, ohne hohe Reservoirdrücke, ohne starke Resorption und ohne Reflux in die Nieren. Eine U-förmige Detubularisierung verdoppelt das Reservoirvolumen im Vergleich zum tubulären Darmsegment. Eine W- oder S-förmige Detubularisierung kann das Volumen verdreifachen.

Resorption von Urinbestandteilen bei Harnableitungen:

Eine Grundfunktion von Dünn- und Dickdarm ist die Resorption von Wasser und Elektrolyten,die bei Harnableitungen unerwünscht ist. Cl wird von der Ileummukosa im Austausch gegen HCO3 absorbiert, Na+ im Austausch gegen H+. Da typischerweise mehr Cl als Na+ absorbiert wird, und somit mehr HCO3 als H+ sezerniert werden, entsteht eine hyperchlorämische metabolische Azidose. Die zusätzliche Resorption von Ammonium (NH4) durch die Darmmukosa verstärkt die Azidose. Reservoire aus Ileum haben geringe Vorteile gegenüber Reservoiren aus Kolon hinsichtlich der Speicherdrücke und der Resorption von Urinbestandteilen.

Bei nierengesunden Patienten werden diese Nachteile in der Regel nicht klinisch manifest und können durch die Nieren kompensiert werden. Eine verminderte GFR kann jedoch Probleme hinsichtlich der H+- und Elektrolytausscheidung verursachen. Die Therapie besteht in der oralen Alkalisierung mit Kalium- oder Natriumbikarbonat.

Kontraindikationen für kontinente Harnableitungen

Allgemeine Kontraindikationen für kontinente Harnableitungen:

Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Niereninsuffizienz (GFR <60–80 ml/min), schlechte Compliance, geringe Lebenserwartung.

Spezielle zusätzliche Kontraindikationen für orthotope kontinente Harnableitungen:

Defekter Sphinktermuskel, Karzinombefall der membranösen Harnröhre, der Prostata oder des Harnblasenhalses.

Spezielle zusätzliche Kontraindikationen für heterotope kontinente Harnableitungen:

Unfähigkeit des Patienten, sich selbst zu katheterisieren.

Präoperative Vorbereitungen vor Harnableitungen

Siehe Abschnitt Zystektomie für die präoperativen Vorbereitungen.

Postoperative Nachsorge von Harnableitungen

Allgemeine Maßnahmen:

Frühzeitige Mobilisation. Atemtherapie. Thromboseprophylaxe. Laborkontrollen (Hb, Elektrolyte, Kreatinin). Wundkontrollen und regelmäßige Untersuchung des Abdomens.

Kostaufbau nach Harnableitung:

Nach Laparotomie entwickelt sich ein sogenannter "physiologischer" paralytischer Ileus. Die Dauer der postoperativen Atonie hängt von der klinischen Situation und dem Ausmaß der Operation ab. Nach heutigem Kenntnisstand wird die Dauer des physiologischen Ileus durch frühzeitige orale Nahrungsaufnahme verkürzt, eine prophylaktische Magensonde ist nicht indiziert.

Erster postoperativer Tag schluckweise klare Flüssigkeiten, ab dem zweiten pOP geringe Mengen an Tee, Suppe und Zwieback. Kaugummikauen beschleunigt die Erholungszeit. Nach Überwindung des physiologischen paralytischen Ileus wird die Kost weiter gesteigert. Ausführliche Darstellung siehe Kapitel Perioperative Ernährung.

Analgesie:

Die Vermeidung von Opiaten ist wichtig für eine schnelle Darmrekonvaleszenz. Voraussetzung dafür ist die Anlage einer epiduralen Anästhesie und die Gabe von nichtsteroidalen Analgetika oder COX2-Hemmern.

Drainagen:

Wunddrainage minimal 1–2 Tage und Entfernung bei deutlich unter 100 ml/d Fördervolumen. Bei hohem Fördervolumen Überprüfung der Durchgängigkeit der eingeleiteten Ureterstents und Katheter. Durch Bestimmung der Kreatininkonzentration im Drainagesekret kann eine Urinleckage nachgewiesen werden.

Urinableitung bei kontinenter Harnableitung:

MJ-Harnableitung 10 Tage, Katheterableitung des Reservoirs bis zur radiologisch dokumentierten Dichtigkeit, mindestens jedoch 14 Tage. Kontinente Harnableitungen müssen regelmässig über den Katheter angespült werden, um den Schleim der Darmmukosa zu entfernen.

Säure-Basen-Haushalt:

Nach Beginn der Urinbelastung des Reservoirs sind regelmäßige Bestimmungen des Blut-pH, des Base Excess und der Elektrolyte erforderlich. Der Base Excess sollte in der venösen Bestimmung nicht unter -2,5 mmol/l absinken.

Vitamine:

Bei Verwendung des distalen Ileums ist eine regelmäßige lebenslange Substitution von Vit. B12 erforderlich.

Komplikationen von kontinenten Harnableitungen

Operative Komplikationen

Siehe Abschnitt Zystektomie für die operativen Komplikationen.

Säure-Basen-Haushalt:

Durch eine verminderte GFR kann die Resorption von Urinbestandteilen (Protonen- und Elektrolyte) teilweise nicht kompensiert werden. Die typische Störung bei der Verwendung von Ileum oder Kolon ist die Ausbildung einer hyperchlorämischen metabolischen Azidose (s. o.). Die Therapie besteht in der oralen Alkalisierung mit Kalium- oder Natriumbikarbonat. Der Base Excess sollte nicht unter -2,5 mmol/l absinken.

Medikamententoxizität:

Medikamente, die über den Gastrointestinaltrakt resorbiert werden und unverändert renal ausgeschieden werden, können bei kontinenten Harnableitungen wieder reabsorbiert werden und toxische Werte erreichen. Insbesondere bei adjuvanter Chemotherapie ist die DK-Ableitung einer kontinenten Harnableitungen zur Vermeidung einer Toxizität ratsam.

Harnwegsinfektion:

Es besteht eine erhöhte Inzidenz von Bakteriurie, Pyelonephritis oder septischen Episoden. Die Ursache für die erhöhte bakterielle Besiedlung liegt in der im Vergleich zum Urothel verminderten Fähigkeit des Darmepithels, diese zu verhindern. Das Darmepithel ist auf die Symbiose mit Darmbakterien angewiesen, die im Harntrakt unerwünscht sind.

Schleimbildung:

Die Schleimbildung kann rezidivierend die Entleerung des Harnreservoirs behindern und Harnverhalte auslösen. Die Erhöhung der Trinkmenge ist hilfreich, die orale Gabe von ACC ist nicht sinnvoll.

Harnsteinbildung:

Die Schleimbildung und persistierende Harnwegsinfektionen prädisponieren zur Entstehung von Infektsteinen.

Malabsorption:

Der Verlust des terminalen Ileums oder ein Kurzdarmsyndrom können einen Vit. B12-Mangel und einen Gallensäurenverlust verursachen. Es entsteht eine makrozytäre Anämie, neurologische Symptome und Durchfall. Die Resektion der Ileozökalklappe begünstigt die bakterielle Besiedlung des Dünndarms, dies kann zu Durchfall, Osteomalazie und weiteren Vitaminmangelsymptomen führen.

Osteomalazie:

Die Osteomalazie entsteht durch die metabolische Azidose und den renalen Kalziumverlust.








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Literatur

Farnham und Cookson 2004 FARNHAM, S. B. ; COOKSON, M. S.: Surgical complications of urinary diversion.
In: World J Urol
22 (2004), Nr. 3, S. 157–67

Gerharz u.a. 2003 GERHARZ, E. W. ; TURNER, W. H. ; KALBLE, T. ; WOODHOUSE, C. R.: Metabolic and functional consequences of urinary reconstruction with bowel.
In: BJU Int
91 (2003), Nr. 2, S. 143–9

Hautmann 2003 HAUTMANN, R. E.: Urinary diversion: ileal conduit to neobladder.
In: J Urol
169 (2003), Nr. 3, S. 834–42

Mills und Studer 1999 MILLS, R. D. ; STUDER, U. E.: Metabolic consequences of continent urinary diversion.
In: J Urol
161 (1999), Nr. 4, S. 1057–66

  English Version: Principles of urinary diversion