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Harnwegsinfektion: Ursachen, Bakterien und Risikofaktoren
- Harnwegsinfektion: Definition, Epidemiologie
- Harnwegsinfektion: Ursachen, Bakterien, Risikofaktoren, Folgen
- Harnwegsinfektion: Diagnose
- Harnwegsinfektion: Prävention, Therapie
Ätiologie und Pathogenese von Harnwegsinfektionen
Mechanismen der Keimbesiedelung:
Unterschieden werden aszendierende, hämatogene, lymphogene Infektionen und die Invasion von Erregern aus Nachbarorganen.
Aszendierende Infektion:
Aszendierende Infektionen sind die häufigste Ursache der Harnwegsinfektionen. Da die weibliche Urethra kurz ist und Darmbakterien das Perineum und die Vulva besiedeln, neigen Frauen deutlich häufiger als Männer zu Harnwegsinfektionen.
Hämatogene Infektion:
Hämatogene Harnwegsinfektionen sind seltener eine Ursache, wie bei Tuberkulose, renale und perinephritische Abszesse und teilweise bei der Epididymitis.
Lymphogene Infektion:
Lymphogen verursachte Harnwegsinfektionen sind selten und ungesichert. Es gibt Spekulationen über die lymphogene Ausbreitung von rektalen Bakterien zu Prostata, Blase und inneren weiblichen Geschlechtsorganen.
Direkte Ausbreitung von Nachbarorganen:
Durch intraperitoneale Abszesse, Abszesse nach PID, bei Fistelung (M. Crohn, Sigmadivertikulitis, Karzinome).
Bakterien (Erregerspektrum) bei Harnwegsinfektionen:
Die häufigsten Erreger unkomplizierter Harnwegsinfektionen sind mit 80% E. coli, gefolgt von Proteus mirabilis, Staphylococcus saprophyticus und Klebsiella pneumoniae [Tab. Erregerspektrum der akuten Zystitis].
Erreger | % |
Gramnegative Bakterien: | |
Escherichia coli | 77 |
Proteus mirabilis | 5 |
Klebsiella pneumoniae | 2–3 |
Enterobacter spp. | 1 |
Citrobacter spp. | < 1 |
Andere Enterobacteriaceae | 2 |
Grampositive Bakterien | |
Staphylococcus saprophyticus | 3 |
Staphylococcus aureus | 2 |
Andere Staphylokokken | 4 |
Enterococcus spp. | 3 |
Streptococcus spp. | < 1 |
Weitere Erreger:
- Anaerobe grampositive Bakterien: Peptococcus und Peptostreptococcus
- Neisseria gonorrhoeae
- Mycobacterium tuberculosis
- Pilze, am häufigsten Candida Arten (insgesamt 5 % aller HWI), weiterhin Aspergillus.
- Parasiten: Schistosoma haematobium
Bakterielle Virulenzfaktoren bei Harnwegsinfektionen:
Die meisten Harnwegsinfektionen werden durch E. coli verursacht (80 % der ambulanten Patienten). Uropathogene E. coli (UPEC) adhärieren vermehrt am Urothel und vaginalen Epithel. Diese vermehrte Adhärenz wird durch Fimbrien oder Pili vermittelt. Die Einteilung berücksichtigt die Fähigkeit, animalische Erythrozyten zu agglutinieren und die Zucker, welche diese Agglutinierung inhibieren.
Typ 1 Pili:
Mannose-sensitive Hämagglutination = MSHA. Diese Bakterien können an spezifischen Zuckersequenzen des Epithels haften.
Typ 2 Pili:
Mannose-resistente Hämagglutination = MRHA. Diese Bakterien können an Glykolipidrezeptoren der Epithelien haften. Ein spezieller Glykolipidrezeptor ist das P-Blutgruppenantigen, Pili mit Affinität zu diesem Rezeptor werden P-Pili oder -Fimbrien genannt.
Biofilm:
An Oberflächen gebundene Bakterien ändern ihr biochemisches Programm durch eine komplexe Änderung der intra- und interzellulären Signaltransduktion. Dies führt zur Bildung von Bakterienkolonien, die durch eine selbst erzeugte extrazelluläre Polymermatrix, den Biofilm, geschützt werden. Bakterien in Biofilmkolonien sind resistenter gegen Antibiotika, mehrere Mechanismen wurden identifiziert: 1) eingeschränkte Diffusion von Antibiotika durch die Matrix; 2) die Übertragung von Resistenzgenen innerhalb der Gemeinschaft; 3) physiologische Veränderungen (reduzierte Stoffwechsel- und Wachstumsraten) und 4) das Vorhandensein metabolisch inaktiver Zellen, die als Persister oder schlafende Bakterienzellen bekannt sind (Wiesner u.a., 2011).
Intrazelluläre bakterielle Gemeinschaften:
engl. intracellular bacterial communities (IBC). Uropathogene Bakterien können auch in die Urothelzelle eindringen und dort eine biofilm-ähnliche Gemeinschaft bilden. Diese schützt die Bakterien vor dem Immunsystem, ist der Auslöser von rezidivierenden Harnwegsinfektionen und kann Beschwerden auslösen, obwohl die Standarddiagnostik eine Harnwegsinfektion nicht nachweisen kann (Wiesner u.a., 2011).
Toxinbildung:
Uropathogene Erreger produzieren Toxine, welche Epithelzellen zerstören (α-Hemolysin oder cytotoxic necrotizing factor CNF1). Die Zelllyse und Hämaturie setzten wichtige Nährstoffe wie Eisen für die Bakterien frei, weiterhin wird die Invasion in tiefere Epithelschichten ermöglicht.
Molekulare Risikofaktoren für eine Harnwegsinfektion:
Je nach Risikofaktor wird entweder das Risiko für eine Bakteriurie, für eine Zystitis und/oder für eine Pyelonephritis erhöht: HLA-A3, eine geringe Sekretion des Lewis-Blutgruppenantigen über den Urin, Blutgruppenantigen P1, Expression des globo-A Epitop des AB0-Systems auf Epithelzellen, Sekretion von IgA über den Vaginalschleim, Defekte der TLR4 Signaltransduktionskaskaskade (toll-like receptor 4), unterschiedliche Sekretion von antimikrobiellen Peptiden (Ambite u.a., 2016).
Geschlechtsunabhängigie Risikofaktoren für eine Harnwegsinfektion:
- Restharnbildung in der Harnblase
- Dauerkatheter: ab dem dritten Tag Zunahme der Bakteriurie von 3–8 % pro Tag, nach 3 Wochen DK ist fast jede Harnblase bakteriell besiedelt.
- Ureterperistaltikstörungen: Schwangerschaft.
- subvesikale Obstruktion
- verminderter renaler Blutfluss
- Nonsecretors: eine geringe Sekretion von Blutgruppenantigenen mit dem Urin prädisponiert zu rezidivierenden Harnwegsinfektionen.
- Fremdkörper, Harnsteine
- Anatomische Fehlbildungen: Vesikoureteraler Reflux, Harnleiterabgangsenge, Ureterozele, Divertikel, ...
- Hohes Alter
- Diabetes mellitus: das Risiko einer HWI ist 20–25fach erhöht.
- Risikofaktoren für eine Pilzinfektion des Harntrakts (Sobel und Vazquez, 1999): Diabetes mellitus, Obstruktion, Immunsuppression, Katheterisierung, Antibiotikatherapie, weibliches Geschlecht, Ileum-Conduit, neurogene Harnblasenstörungen.
Weibliche Risikofaktoren für eine Harnwegsinfektion:
- Häufigkeit der sexuellen Aktivität, Analverkehr, Verwendung von einem Diaphragma und/oder einem Spermazid.
- Schwangerschaft (hormonbedingte Weitstellung der Harnwege, vermindertes Uromodulin)
- Postmenopause: die verminderte Östrogenkonzentration führt zu einer Atrophie der vaginalen Schleimhäute, verminderte Besiedelung durch Laktobazillen, vermehrten Besiedelung der Vagina mit Enterobacteriaceae und Anaerobiern, welche Harnwegsinfektionen auslösen.
Männliche Risikofaktoren für eine Harnwegsinfektion:
- Fehlende Zirkumzision bei Kindern, v. a. bei Kindern mit Reflux.
- Geschlechtsverkehr mit einer infizierten Partnerin oder Analverkehr
- Vorhauterkrankungen
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Literatur
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Leitlinienprogramm DGU
Interdisziplinäre S3
Leitlinie: Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management
unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei
erwachsenen Patienten. Langversion 1.1-2. AWMF Registernummer: 043/044
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English Version: Causes of urinary tract infection