Dr. med. Dirk Manski

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Therapie von Seminom Hodentumoren nach Leitlinien


Allgemeine Therapieprinzipien von Hodentumoren

Eine Übersicht über die stadienabhängigen Therapieoptionen bei Hodentumoren zeigt Tab. Therapieübersicht der Hodentumoren in Abhängigkeit des klinischen Stadiums:


Übersicht über die Therapieoptionen bei Hodentumoren in Abhängigkeit des klinischen Stadiums. Die Prognosegruppen im metastasierten Tumorstadium werden anhand der Richtlinien der International Germ Cell Cancer Collaborative Group (IGCCCG) eingeteilt.
Stadium Seminom Nichtseminom
Stadium IA
Stadium IB
Aktive Überwachung oder
1–2 Zyklen Carboplatin (hohes Risiko) oder
Strahlentherapie (20 Gy)
Aktive Überwachung oder
1 Zyklus PEB (hohes Risiko) oder
nerverhaltende RLA
Stadium IS Strahlentherapie (30 Gy)
oder 1–3 Zyklen PEB
1–3 Zyklen PEB
Stadium IIA Strahlentherapie (30 Gy)
oder 3 Zyklen PEB
Positive Tumormarker: 3 Zyklen PEB

Negative Tumormarker: nervenschonende RLA oder Restaging (CT) in sechs Wochen (siehe Text).
Stadium IIB-III
(gute Prognose)
3 Zyklen PEB 3 Zyklen PEB
Stadium IIB-III
(mittlere Prognose)
4 Zyklen PEB 4 Zyklen PEB
Stadium IIB-III
(schlechte Prognose)
- 4 Zyklen PEB oder
Hochdosis-Chemotherapie in Studien
Residualtumor nach Chemotherapie RLA nur bei PET-aktiven Resttumoren über 3 cm RLA bei Resttumoren > 1–2 cm

Inguinale radikale Orchiektomie: erster Therapieschritt bei Hodentumoren

Inguinaler Zugang zum Leistenkanal, Darstellung des Samenstrangs und Absetzen des Organpräparates am inneren Leistenring. Technik und Komplikationen siehe Kapitel Inguinale Orchiektomie. Falls gewünscht (und die Kostenfrage geklärt ist), kann zeitgleich eine Hodenprothese eingesetzt werden. Die inguinale Orchiektomie ist immer der erste Therapieschritt, außer bei lebensbedrohlichen Metastasen, welche zunächst eine Chemotherapie erfordern.

Bei Unsicherheit bezüglich der Diagnose wird bei abgeklemmtem Samenstrang eine organerhaltende Tumorresektion durchgeführt. Das Präparat wird zur Schnellschnitt-Diagnose gesendet. Eine Orchiektomie wird bei Nachweis eines Keimzelltumors durchgeführt, bei benignen Tumoren genügt die organerhaltende Tumorresektion.

Kontralaterale Hodenbiopsie:

s. o. unter Diagnostik des Hodentumors.

Prinzipien der Chemotherapie bei Hodentumoren

Viele Tumorstadien der Keimzelltumoren der Hoden erfordern eine Chemotherapie. Das am häufigsten angewendete Schema ist die PEB-Chemotherapie mit Cisplatin, Etoposid und Bleomycin. PE-Schema wird bei Kontraindikationen für Bleomycin verwendet. Das PEI-Schema ist ebenfalls eine Alternative bei Kontraindikationen für Bleomycin, insbesondere bei mittlerer und schlechter Prognose. Therapiepläne und pharmakologische Details siehe Abschnitt Chemotherapie.

PEB-Chemotherapie:

Das am häufigsten angewendete Schema ist die PEB- mit Cisplatin, Etoposid und Bleomycin, ein Zyklus PEB dauert 21 Tage:

Die Indikationen zur PEB-Chemotherapie sind fortgeschrittene Seminome ab Stadium IIb, Nichtseminome mit nachgewiesener Metastasierung (ab Stadium II), ein Tumorrezidiv nach Radiatio oder nach einer Lymphadenektomie. Es werden mindestens 3 Zyklen PEB verabreicht, bei großer Tumorlast mindestens 4 Zyklen. Bei Nichtseminomen im Stadium I mit hohem Metastasierungsrisiko ist eine prophylaktische Chemotherapie PEB mit einem Zyklus indiziert.

PE-Chemotherapie:

Kombinationschemotherapie mit Cisplatin und Etoposid. Indiziert bei Kontraindikationen für Bleomycin für Patienten mit guter Prognose. Ein Zyklus PE dauert 21 Tage, die Dosierung von Cisplatin und Etoposid wie bei PEB. Die Standarddosis bei guter Prognose sind 4 Zyklen PE, diese sind genauso effektiv wie 3 Zyklen PEB.

PEI-Chemotherapie:

Kombinationschemotherapie mit Cisplatin, Etoposid und Ifosfamid. Indikationen sind Kontraindikationen für Bleomycin bei mittlerer und schlechter Prognose, Erreichen der Maximaldosis für Bleomycin, Zweitlinientherapie bei Progress nach PEB-Chemotherapie. Ein Zyklus dauert 21 Tage:

Therapie der nicht-invasiven Keimzellneoplasie (GCNIS)

Die Methode der Wahl zur Therapie der nicht-invasive Keimzellneoplasie (GCNIS) ist die Bestrahlung des Hodens mit 16–20 Gy (8–10 × 2 Gy über 2 Wochen) mit sehr hoher Heilungsrate. Nachteilig ist die permanente Zerstörung der Spermatogenese, die Testosteronproduktion bleibt oft erhalten. Kontrollen der Testosteronkonzentration sind jedoch notwendig, langfristig entsteht ein Hypogonadismus in 30–57%.

Bei Patienten mit Kinderwunsch und GCNIS im kontralateralen Hoden nach Orchiektomie kann aufgrund der Latenz zwischen GCNIS und Hodentumor von 5 Jahren auf die Vaterschaft unter engen klinischen Kontrollen gewartet werden.

Eine Chemotherapie heilt die GCNIS in 50–80 % der Fälle (je nach Dosis), eine Radiatio der GCNIS sollte nicht zusätzlich durchgeführt werden. Zwei Jahre nach Chemotherapie kann eine Hodenbiopsie zur Kontrolle angeboten werden.

Die Orchiektomie aufgrund einer GCNIS ist eine sinnvolle Option bei zufälliger Entdeckung im Rahmen der Diagnostik einer Infertilität oder bei extragonadalen Keimzelltumoren, insbesondere wenn der Hoden atroph ist.

Therapie des Seminoms Stadium IA/IB

Nach der inguinalen Ablatio testis beträgt das Progressionsrisiko für Stadium I-Seminome 12–30 %. Folgende Möglichkeiten existieren für die adjuvante Therapie:

Aktive Überwachung bei Stadium I Seminom:

Aktive Überwachung oder engl. active surveillance: Risikofaktoren für den Progress sind eine Primärtumorgröße über 4 cm und die Tumorinvasion in das Rete testis. Das Risiko des Progresses beträgt ohne Risikofaktoren 6 %, bei einem Risikofaktor 16 % und bei Vorliegen von 2 Risikofaktoren bis zu 30 %. Eine leitliniengerechte Überwachung und adjuvante Therapie bei Rezidiv vorausgesetzt, ist die Prognose für den Patienten hervorragend (Heilungsrate von 99 % unabhängig vom Rezidivrisiko) und die aktive Überwachung die beste Therapieoption.

Adjuvante Chemotherapie bei Stadium I Seminom:

1 Zyklus Carboplatin in der Dosierung von AUC (area under the curve) von 7 reduziert das Rezidivrisiko in einer großen EORTC-Studie auf 3–4 %. Siehe Abschnitt Carboplatin zur Berechnung der Dosis und zur Pharmakologie. Im Vergleich zur Strahlentherapie existieren folgende Vorteile: die Kürze und Einfachheit der adjuvanten Therapie und die Reduktion des Risikos für kontralaterale Hodentumoren (2 von 573 vs. 15 von 904 im Vergleich zur Strahlentherapie). Nachteilig ist die bisher kurze Nachbeobachtungszeit von 6 Jahren der MRC/EORTC Studie Strahlentherapie vs. Carboplatin (Oliver u.a., 2011), so dass das Risiko für die Induktion von Zweittumoren noch nicht abschließend beurteilbar ist. In weiteren Studien zeigten sich bei einem Zyklus Carboplatin höhere Rezidivrate von bis zu 9% (Tandstad u.a., 2016), so dass Zweifel bezüglich der niedrigen Dosierung aufkamen. Alle bisherigen Studien mit zwei Zyklen Carboplatin konnten die Rezidivrate unter 2% halten.

Zusammenfassend ist die adjuvante Chemotherapie eine Therapieoption bei Seminom Stadium I mit hohem Progressionsrisiko (1–2 Risikofaktoren), es sollten nach aktueller Datenlage eher zwei Zyklen Carboplatin als Dosierung empfohlen werden.

Adjuvante Strahlentherapie bei Stadium I Seminom:

Die prophylaktische Bestrahlung der retroperitonealen Lymphknoten (Dosis 20 Gy) reduziert das Rezidivrisiko auf 3–4%. Feldgrenzen: Oberkante BWK 11 bis Unterkante LWK 5, ipsilateral Nierenhilus und kontralateral Querfortsätze der Wirbel. Die initialen Nebenwirkungen der Strahlentherapie sind insgesamt selten und milde. Problematisch ist die Induktion von Zweitmalignomen, im Langzeitverlauf bis zu 20%ige Erhöhung der Prävalenz (Lewinshtein u.a., 2012). Studien mit moderner Feldtechnik und niedriger Dosis von 20 Gy konnten diese Erhöhung der Zweittumorrate nicht bestätigen. Aus Sorge vor Zweitmalignomen hat die Häufigkeit der retroperitonealen Strahlentherapie deutlich abgenommen, auch im Angesicht der hervorragenden Daten für die aktive Überwachung bei Niedrigrisiko-Seminom und Vorteile der Chemotherapie bei Hochrisiko-Seminom.

Therapie des Seminoms Stadium IS

Im Stadium IS zeigen sich persistierend erhöhte Tumormarker nach Orchiektomie, das Staging und der kontralaterale Hoden sind unauffällig. Bei steigenden spezifischen Hodentumormarkern (HCG) im Stadium I ist eine Strahlentherapie vergleichbar wie im Stadium IB&nda

sh;IIA indiziert. Es existieren keine genauen Empfehlungen bezüglich der Dosierung der Strahlentherapie sowie des Bestrahlungfeldes.

Als Alternative zur Strahlentherapie ist eine primäre Chemotherapie mit PEB möglich. Es existieren keine genauen Empfehlungen bezüglich der Dosierung der Chemotherapie (1–3 Zyklen), sie sollten individuell und von der Höhe der Tumormarker abhängig gemacht werden.

Als Alternative zur sofortigen Therapie kann auch durch Abwarten und regelmäßige Bildgebung der Nachweis und die Lokalisierung der Metastasen abgewartet werden. Retroperitoneale Lymphknotenmetastasen werden mit einer Strahlentherapie (Dosis 30 Gy) behandelt, Lungenmetastasen benötigen drei Zyklen PEB-Chemotherapie.

Therapie des Seminoms Stadium IIA

Eine Lymphknotenvergrößerung bis 2 cm kann maligne oder benigne Ursachen haben. Bei erhöhten Tumormarkern sind Lymphknotenmetastasen wahrscheinlich und die Therapie kann sofort beginnen. Schwieriger ist die Therapieentscheidung bei Marker-negativen Patienten, da auch gutartige Lymphknotenvergrößerungen in Betracht gezogen werden müssen. Die Lymphknotenmetastasierung sollte mit Hilfe einer Biopsie, eines Restaging nach 6 Wochen oder durch Tumormarkeranstieg nachgewiesen werden.

Im Falle des Metastasierungsnachweis werden die retroperitonealen Lymphknoten mit 30 Gy bestrahlt. Die Fraktionierung beträgt 2 Gy/d und 5 Bestrahlungen pro Woche. Das Bestrahlungsfeld wird im Vergleich zu Stadium I auf die ipsilaterale Iliakal/Inguinalregion ausgedehnt. Nach therapeutischer Bestrahlung ist in 8%, mit einem Rezidiv zu rechnen, die Lokalisation des Rezidivs liegt regelhaft außerhalb des Bestrahlungsfeld (z.B. Lunge). Ein Rezidiv wird mit drei Zyklen PEB behandelt. Die Heilungsrate beträgt insgesamt 99%.

Als Alternative zur Strahlentherapie ist eine primäre Chemotherapie mit drei Zyklen PEB möglich. Als Vorteil gilt das niedrige Rezidivrisiko nach Abschluss der Therapie und das geringe Risiko für Zweitmalignome im Langzeitverlauf. Die Nebenwirkungen (Frühtoxizität) der Chemotherapie sind jedoch deutlich höher als bei der Strahlentherapie.

Eine Alternative zur Senkung der Toxizität der Strahlentherapie und Chemotherapie ist die Kombination beider Therapieverfahren in reduzierter Dosis: Dosis- und Feldreduktion der Strahlentherapie mit Beschränkung auf die vergrößerten Lymphknoten und Gabe von 1–2 Zyklen Carboplatin als Chemotherapie (Horwich u.a., 2013), hierzu fehlen jedoch kontrollierte Studien.

Therapie des Seminoms Stadium IIB

Im Stadium IIB ist eine Chemotherapie mit 3 Zyklen PEB die Methode der Wahl, als Alternative ist eine Radiatio der retroperitonealen Lymphknoten mit 36 Gy möglich. Nach therapeutischer Bestrahlung ist in 10%, mit einem Rezidiv zu rechnen, welches mit drei Zyklen PEB behandelt wird. Die Heilungsrate beträgt insgesamt 99%.

Eine Alternative zur Senkung der Toxizität der Strahlentherapie und Chemotherapie ist die Kombination beider Therapieverfahren in reduzierter Dosis: Dosis- und Feldreduktion der Strahlentherapie mit Beschränkung auf die vergrößerten Lymphknoten und Gabe von 1–2 Zyklen Carboplatin als Chemotherapie (Horwich u.a., 2013), hierzu fehlen jedoch kontrollierte Studien.






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Literatur

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  English Version: Treatment of testicular cancer: Seminoma and Treatment of testicular cancer: Nonseminoma