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Therapie neurogener Harnblasenfunktionsstörungen
- Neurogene Harnblasenfunktionsstörungen: Ursachen und Folgen
- Neurogene Harnblasenfunktionsstörungen: Diagnose, Therapie mit Medikamenten
- Neurogene Harnblasenfunktionsstörungen: Therapie mit CIC, Botulinumtoxin A, Sakrale Neuromodulation und Operationen
Verbesserung der Kontinenzfunktion
Medikamente:
Duloxetin ist Serotonin- und Noradrenalin-Reuptake-Hemmer auf spinaler Ebene, und verstärkt damit die Stärke der Sphinkterkontraktion. Siehe auch Dosierung und Nebenwirkungen von Duloxetin. Aufgrund von Sicherheitsbedenken hat Duloxetin keine Zulassung in den USA erhalten.
Artifizieller Sphinkter:
Therapie bei Sphinkterinsuffizienz. Der artifizielle Sphinkter ist keine Option bei unkontrollierter Detrusorüberaktivität oder fehlender manuellen Geschicklichkeit für die Bedienung des Sphinkters. Bei unzureichender Harnblasenentleerung mit Notwendigkeit der Selbstkatheterisierung sollte der Sphinktercuff um den Harnblasenhals positioniert werden. Siehe auch Abschnitt operative Therapie der Harninkontinenz.
Harnblasenhalsrekonstruktion:
Die Harnblasenhalsrekonstruktion erzeugt einen ventilartigen Kontinenzmechanismus, z.B. Young-Dees-Leadbetter Blasenhals-Plastik. Bei neurogenen Harnblasenfunktionsstörungen ist je nach Harnblasenfunktion zusätzlich die Augmentation und Selbstkatheterisierung notwendig. Indikationen der Harnblasenhalsrekonstruktion: kindliche Sphinkterinsuffizienz durch u.a. Spina bifida, publizierte Fallzahlen sind klein und von variablen klinischen Erfolg.
Therapie – Verbesserung der Harnblasenentleerung
Manuelle Kompression (Crede-Handgriff) oder Valsalva-Manöver:
da i. d. R. zu hohe Drücke in der Harnblase entstehen (über 50 cm H2O), ist der obere Harntrakt durch diese Form der Harnblasenentleerung gefährdet.
Manuelle Triggerung des Miktionsreflexes:
wird meist durch Beklopfen der suprapubischen Harnblasenregion ausgelöst, ist aber häufig unzureichend.
Parasympathomimetika:
durch die Stimulation von M-Rezeptoren an der Harnblase führt zu einer Zunahme der Detrusorkraft. Sie wurden (werden) zur Behandlung der postoperativen Harnverhaltung und bei neurogener Detrusorschwäche eingesetzt. Parasympathomimetika haben aufgrund möglicher schwerwiegender kardiovaskulärer Nebenwirkungen und begrenzter Wirksamkeit eine geringe praktische Bedeutung.
Bethanechol:
10 mg 1–1–1 bis 50 mg 1–1–1–1 p.o., einschleichend nach Wirkung dosieren.
Distigmin:
indirekt parasympathomimetisch durch Inhibition der Cholinesterase. 0,5 mg i. m. oder langsam i. v. Bei oraler Gabe 5 mg 1–0–0 alle 2 Tage bis 1–0–1 jeden Tag je nach Wirkung.
Intermittierender Selbstkatheterismus:
Der intermittierende Selbstkatheterismus ist eine effektive Methode bei unzureichender Harnblasenentleerung aufgrund neurogener Störung oder nach Harnblasenaugmentation. Eine Detrusorüberaktivität kann bei Patienten mit Selbstkatheterismus mit hohen Dosen von Botulinumtoxin oder mit einer Harnblasenaugmentation behandelt werden. Die Langzeitsicherheit der Methode wurde von Lapides (Lapides u.a., 1972) (Lapides u.a., 2002) mit sauberen mehrfach verwendeten Einmalkathetern popularisiert, hydrophil beschichtete sterile Katheter zur einmaligen Verwendung sind jedoch vorteilhafter. Komplikationen sind urethrale Verletzung mit Via falsa, Strikturentstehung und Harnwegsinfektionen.
Dauerkatheterisierung:
Urethrale Katheterisierung bei Frauen und suprapubische Katheterisierung bei Männern. Unstrittig ist die Studienlage zur Komplikationsrate der Dauerkatheterisierung, mit teilweise sehr hohen Raten an Infektionen, Harnblasensteinen, Makrohämaturie, chronischem Nierenversagen und Entstehung von Plattenepithelkarzinomen. Je nach Alter und Grunderkrankungen, sind Alternativen (CIC, Kondomurinal, Harnableitung) vorzuziehen.
Sakrale Neuromodulation:
Die sakrale Nervenstimulation bei S3 kann auch die Detrusorkontraktion in ausgewählten Patienten verbessern. In der Speicherphase verhindert die Modulation autonome Kontraktionen, nach Beendigung der Modulation ist eine effektivere Miktion möglich.
Weitere Therapieoptionen:
Harnblasenreduktionsplastik (umstritten), Harnblasen-Myoplastie (aufwendig und wenig Fallzahlen), transurethrale Elektrostimulation der Harnblase (TEBS) zur Trainierung des Miktionsreflexes bei partiellen Nervenläsionen (umstritten).
Therapie – Verringerung des Harnblasenauslasswiderstands
Alphablocker:
Indikation bei sakralen und infrasakralen Läsionen, insbesondere bei fixiertem hohen Sphinktertonus oder bei glattmuskulärer Sphinkterdyssynergie. Pharmakologische Einzelheiten siehe Kapitel Medikamente/Alphablocker.
Baclofen:
Baclofen aktiviert GABAB-Rezeptoren und hemmt dadurch monosynaptische oder polysynaptische Aktivierung der Motoneurone. Indikation für Baclofen neben Linderung der motorischen Spastik ist die DSD. Dosierung: beginnend mit 5 mg 1–1–1, um je 5 mg alle 3 Tage steigern bis auf ca. 30–75 mg/Tag.
Botulinumtoxin A:
Transurethrale Injektion von Botulinumtoxin in den Sphinkter und/oder in den Detrusor. Indikation bei DSD und/oder Detrusorüberaktivität. Pharmakologie, Dosierung und Nebenwirkungen siehe Botulinumtoxin A.
Transurethrale Inzision der Prostata/Harnblasenhals (TUIP):
Inzision bei 5 und 7 Uhr vom Harnblasenhals bis zum Colliculus seminalis. Indikation bei der seltenen Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie des glattmuskulären Sphinkters.
Endoskopische Sphinkterotomie oder Sphinkterstent:
Die endoskopische Resektion oder Inzision des Sphinkters bei 12 Uhr erzeugt eine Belastungsinkontinenz und senkt den DLPP. Nach der Operation wird der Patient mit einem Kondomurinal versorgt. Für Frauen ist die Sphinkterotomie oder Sphinkterüberdehnung keine gute Therapieoption, da gute Ableitungssysteme nicht applizierbar sind.
Die Inzision muss vom Verumontanum bis zur bulbomembranösen Harnröhre ziehen. Der DLPP nach Sphinkterotomie sollte unter 40 cm H2O betragen. Eine relativ hohe Versagerquote im Langzeitverlauf bis 50 % entsteht durch die Regeneration des Sphinkters oder narbige Engen. Alternativ ist die Verwendung eines Sphinkterstents möglich. Eine engmaschige Überwachung des oberen Harntrakts ist notwendig.
Therapie – Harnableitung
Eine Harnableitung sollte in Betracht gezogen werden, wenn die oben genannten Behandlungsoptionen versagt haben (wiederkehrende Harnwegsinfektionen, Dekompensation der oberen Harnwege mit Niereninsuffizienz, Notwendigkeit eines Dauerkatheters). Die Behandlungsoptionen hängen von den Präferenzen des Patienten, der manuellen Geschicklichkeit, der Nierenfunktion und den Grunderkrankungen ab: Ileovesikostomie, Mitrofanoff Appendikovesikostomie, Ileum-Conduit, kontinente heterotope Harnableitung (z. B. Mainz-Pouch I).
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Literatur Neurogene Harninkontinenz
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